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dieses neuen Exportzweiges als unmittelbare Folge-
erscheinung des Bahnbaues auffassen. Er zwingt mit
Notwendigkeit, alles, was das Land überhaupt zu
bOieten vermag, nutzbar zu machen.
Gerade in dieser Wirkung muß man auch den
größten Nutzen des Bahnbaues suchen, indem er im
Eingeborenen das Bestreben rege macht, das, was er
leisten kann, gzu benutzen, um sich die Eisenbahn dienstbar
äu machen. Wie sehr dieser Einfluß sich bemerkbar ge-
macht hat, beobachtete ich am deutkicsten an der Bahn-
strecke zwischen Baro und Minna. Wie mir mitgeteilt
wurde, gab es hier vor dem Bahnbau nur wenige
Eingeborenen-Ansiedlungen. Jetzt findet man dort
Dorf an Dorf, welche eine so lebhafte Produltion
zeitigen, daß diese kurze Vhnstrecke, imstande sein soll,
sich selbst zu erhalten. Die Schaffung des Marktes
und das erziehericche Moment der vorhandenen Bahn
wirken zusammen, unterstützt von einer weisen Steuer-
politik.
Es bleibt nun noch die Baumwollproduktion zu
betrachten. Die Statistik des Niger-Handels, d. h. der
amtliche „Trade Statistical Abstract“, gibt nur 6674 2
als Wert der im Kalenderjahr 1912 exportierten Lint--
baumwolle an, während die Gesamtstatistik 19 000 ct.
mit 36 000 als aus Nordnigerien abtransportiert
aufführt. Dazu 2000 tons Baumwollsaat im Werte
von 5000 L. Über den Niger gehen nur die in der
Entkörnerei in Lokoja verarbeiteten Mengen, während
die größeren Anlagen in der Bahnnähe liegen und
natürlich mit dieser verfrachten. Dabei ist allerdings
auffallend, daß die Statistik der Bahn überhaupt keine
Baumwolle aus Nordnigerien enthält. Rechnen wir
den Ballen zu 100 lbs, so haben wir für 1912 eine
Gesamtmenge von rund 4% Ballen aus Nordnigerien
vorliegen, von denen rund 2300 Ballen aus Zaria-
stammen. Da die Entkörnerei in Zaria erst im Jahre
1911 errichtet worden ist, kann man mit diesem Anfang
zufrieden sein. Jedoch scheint das laufende Jahr 1913
einen Rückschlag statt des erwarteten Fortschritts zu
bringen, da bei meiner Anwesenheit mit allerhöchstens
2000 Ballen gerechnet wurde. Als Ursache wurde mir
angegeben, daß dem Eingeborenen auf dem Markt in
Kano eine höhere Verwertung im Kleinhandel möglich
ist, als sie die Gesellschaft zu bieten vermag. Während
in den Wirtschaftsgebieten des Niger und Benne der
Handel zwischen Europäern und Eingeborenen — ab-
gesehen natürlich von den europäüsierten Eingeborenen
—i in der Hauptsache noch Tauschhandel ist, basiert der
Handel“ Kauos auf Geld, sehr zum Leidwesen der Kauf-
ente
nur gegen bar und zu einem von der Regierung fest-
gesetzten Preise statt.
Die Ubersicht über die Handelsverhältnisse würde
nicht vollständig sein, wollte man nicht des innerhalb
des Protektorats tätigen Handels gedenken. Die in
den Bauchi-Hochländern seit kurzer Zeit vorhandene
Minenindustrie hat sowohl mi großer Arbeiternot
wie mit schwierigen Verpflegungsverhältnissen zu
kämpfen, da die in diesem Distrikt lebenden Bergvölker
der Arbeit im Europäerdienst abhold sind und noch
nicht für den Markt produzieren. Es hat sich daher
unter dem Zwang der Verhältnisse ein lebhafter Handel
mit Eingeborenenfrüchten, insbesondere mit Durrah,
zwischen Zaria, Kano und dem Minengebiet heraus-
gebildet, der teils von den europäischen Firmen, teils
von Eingeborenen betrieben wird. überbanpt hat die
Bahn sehr bald einen lebhaften Zufluß der Eingeborenen
mit ihren Lebensmittelerzeugnissen nach den verschie-
denen Märkten veranlaßt; man sieht mit Interesse,
wie sie die mit Jams, Zwiebeln, Korn usw. gefüllten
Säcke als Passagiergepäck von den kleinen Zwischen-
Der Aufkauf der Baumwolle findet jedoch überall)
stationen zu den Marktzentren schafsen. Der Pasjagier=
verkehr der Eingeborenen mit und ohne Gepäck ist
derartig gestiegen, daß die Zügc meistens nicht geuug
Personenwagen für deren Beförderung führen. Ich
abe es eigentlich in jedem Zuge beobachten können,
daß sie oben auf den mit Holg oder anderem Material
beladenen Gepäckwagen verstaut wurden. Von dem
Leben und Treiben auf den Stationen bei Abgang
eines Zuges macht man sich keinen Begriff, wenn man
es nicht gesehen hat.
Hierher Fehöm auch der allerdings von der Bahn
unabhängige Handel mit Fischen auf dem Niger und
Bennc, besonders auf dem Oberlauf des letzteren, zur
Versorgung der flußabwärts gelegenen Bevölkerungs-
zentren in Lokoja usw. Eine ganze große Zunft von
Fischern zieht alljährlich mit aller Habe flußaufwärts
und schlägt in provisorischen Mattenhäusern, die nur
Schutz gegen die Sonne bieten, ihr Heim auf den
weiten Pheden des Flusses auf und übt von hier
mit Heranziehung der ortseingesessenen Heidestämme
ihr Handwerk mit großen Zugnetzen aus, die wohl
schon teilweise europäischer Herkunft sind. Der Fisch-
reichtum dieser Gewässer sichert ihnen stets reichen Fang-
e grob zerlegten Fische werden auf starkem Rauch
Feuer geräuchert und getrocknet und dann in
gangen Kanuladungen von 20 Zentner und mehr stromab
zum Verkauf gebracht, wo ein hoher Preis für dies
hochbegehrte Nahrungsmittel für die Arbeit entschädigt.
Welch eine Bedentung dieser Handel hat, ermißt man
am besten, wenn man in Lokofa am Flußufer die
großen Kanus zu Hunderten vereinigt sieht, die gerade
zur Zeit mit Ladung zum Verkauf angelangt sind. Die
diesen Handel ausübenden Haussah sind größtenteils
in einem guten Wohlstande
Im Laufe dieses Jahres hat die Niger- Compagnie,
wohl als Folgeerscheinung der Neubegründung einer
afrikanischen eidenaufkaufsgesellschaft mit
englischem und deutschem Gelde, am Oberlauf des
Benue mit dem Ankanf von Kokons der afrikanischen
Seide begonnen. Die Simmerhalb weniger Monate ein-
gegangenen Mengen, welche ich in den Lagerräumen
der Gesellschaft in Yola beobachten konnte, übertrafen
meine Erwartungen. Doch glaube ich nicht, daß man
sich unter den jetzigen Verhältnissen allzuviel von
diesem Haudel versprechen darf. Einerseits schien mir
das starke Mngebot auf die hohen Preise zurückzuführen
zu sein, welche der noch junge Angestellte der Firma
allerdings in Tauschwaren begahlte, anderseits wurde
auch hier der früher in Deutsch-Adamana begangene
Fehler gemacht, daß die Kokons mit den getöteten
Puppen abgeliefert wurden, so daß eine baldige Aus-
rottung auch hier die Folge sein wird. Allerdings
befand sich ein Angestellter jenes neuen Unternehmens
in Ibi, welcher den Auftrag hatte, den Handel mit
Unterstü hung der Niger-Compagnie zu organisieren
und vor allen Dingen darauf hinzuwirken, daß di
Ausrottung der Seidenraupen verhindert wird. Da,
wie ich dort erfuhr, die Firma die Kokons nicht wie
diejenigen der echten Seide abhaspelt, sondern zerreißt
und nachher verspinnt, es also nur darauf ankommt,
den Eingeborenen zu verhindern, die Kokons vor dem
Auskriechen zu sammeln, scheint mir auch für ie
deutschen Gebiete die Frage beachtenswert, sofern dic
zahlbaren Preise den Kusendungee der Eingeborenen
entsprechen. Doch wird es immerhin nur ein Fakto
zweiten Grades für die Entwicklung der Gebiete sein,
welche in erster Linie auf der Förderung des Acker-
baues und der Viehzucht aufgebaut werden muß. Die
Einführung solcher künstlichen Ausfuhrquellen ioue
zurückgestellt werden, bis die Verhältnisse dafür gi
stiger geworden sin