Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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dieser Krankheit. In Karagwe und den See- 
sultanaten sind 50 v. H. der Landesbewohner 
syphilitisch infiziert und daneben noch 30 v. H. 
mit Gonorrhoe behaftet. Schuld an der Sterb- 
lichkeit unter den Neugeborenen ist neben der 
Lues die falsche, unnatürliche Ernährung. Da 
die Mutter infolge vielfacher Unterernährung oft 
nicht ausreichend stillen kann, bekommt der Säug- 
ling sehr früh schon Bananenbrei, Bohnen, Erbsen, 
Früchte u. a., kurz alles, was die Erwachsenen 
zu sich nehmen. 
Unter den Wadschagga des Bezirks Moschi 
starb nach Angabe der Eingeborenen und der 
Missionare etwa die Hälfte aller Neugeborenen 
vor Vollendung des ersten Lebensjahres. Das 
Sterben ist die Folge der unzweckmäßigen Er- 
nährung der Säuglinge, die auch hier von den 
ersten Tagen an mit fester Nahrung (Mehlklößen, 
Brei usw.) gewaltsam vollgestopft werden. Im 
späteren Kindesalter sind als Todesursache haupt- 
sächlich durch Parasiten hervorgerufene Darm- 
erkrankungen verantwortlich zu machen, unter 
diesen in erster Linie die Wurmkrankheit. 
In Tanga brachten 160 Frauen 204 Kinder 
zur Welt. Davon waren zur Zeit der Fest- 
stellung noch 113 am Leben. Von den 91 ge- 
storbenen Kindern standen 65 noch im ersten 
Lebensjahr, 26 waren älter. Die Zahl der 
Aborte betrug bei den 160 Frauen 56. Kinder 
unter einem Jahre starben meist an alimentären 
Magen= und Darmstörungen, die älteren haupt- 
sächlich an Wurmkrankheit. 
Im Bezirk Bismarckburg starben 45,7 v. H. 
aller Neugeborenen. Zwei Drittel bis drei Viertel 
aller Todesfälle entfielen auf das erste Lebens- 
jahr. Als Todesursache steht vornan die Malaria. 
In Karema erlag ihr mehr als die Hälfte aller 
Neugeborenen (54 v. H.), zumeist im ersten Lebens- 
jahre. In den übrigen Teilen des Bezirks war 
der Prozentsatz etwas geringer, betrug aber immer- 
hin noch 42,7 v. H. Malariaparasiten findet 
man bei Säuglingen im ersten Lebensjahre fast 
ausnahmslos. An zweiter Stelle stehen die Darm- 
krankheiten. Sie spielen hier aber nicht die Rolle 
wie in anderen Bezirken. 
Im Süden des Bezirks Kilwa beträgt die 
Zahl der an Darmkrankheiten gestorbenen Kinder 
35 v. H.; Malaria folgt mit 21,5 v. H. Eine 
große Rolle spielen dort noch Wurmkrankheit, 
Erkrankungen der Lunge und Framboesie. Er- 
heblich höher stellt sich der Prozentsatz der an 
Darmkrankheiten gestorbenen Säuglinge im Norden 
desselben Bezirks: hier steigt die Zahl sogar bis 
auf 46,1 v. H., also fast die Hälfte aller Neu- 
geborenen. Ancchronischer Malaria erkrankt waren 
50 v. H. aller Sänglinge. Wissenschaftlich inter- 
  
essant sind drei Fälle von spinaler Kinderlähmung, 
die im übrigen im Schutzgebiet noch wenig be- 
obachtet worden ist. Anders als im Bezirk liegen 
die Verhältnisse in der Stadt Kilwa selbst. Hier 
war die Malaria die weitaus häufigste Todes- 
ursache. Es starben daran 56 v. H. aller Kinder, 
während die Darmkatarrhe dagegen etwas zurück- 
treten. 
In Aruscha betrug die Geburtenzahl bei 
114 Frauen 299. Das sind pro Frau 2,62 Ge- 
burten. Davon starben im ganzen 33,1 v. H., unter 
diesen die größere Hälfte im ersten Lebensjahre. Die 
Haupt-Todesursache waren Darmkrankheiten, an 
zweiter Stelle folgte Lungenentzündung. Malaria 
kommt hier weniger vor. Im Aruschabezirk haben 
nach dem Bericht des Stationsarztes die Missionen 
durch Belehrung zu helfen versucht. Die Kinder 
der christlichen Eingeborenen werden dort täglich 
gebadet und überhaupt zur Reinlichkeit erzogen. 
Sie bekommen nach Mitteilung der Missionare 
möglichst bis zu einem Jahr ausschließlich die 
Mutterbrust (oder Ammenbrust) und hierauf 
gekochte Milch in der Flasche. Frauen und 
Mädchen erhalten belehrenden, anschaulichen 
Unterricht in der Schule durch Missions-Schwestern. 
Die Resultate in der Missionsgemeinde sollen 
dementsprechend auch gut sein. Von 15 Kindern, 
die innerhalb des letzten Jahres geboren wurden, 
sind lant Bericht nur zwei gestorben, beide kurz 
nach der Geburt. 
Im Bezirk Lindi kommen 1,9 Kinder auf 
eine Frau. Der Säugling erhält bis zum 20. Tage 
nur die Brust. Dann kommt die Mehlfütterung 
hinzu. Zuerst wird das Mehl als dünne Suppe 
gegeben, dann als dicker Brei, beginnend mit 
4 bis 5 Löffeln, übergehend zu 2= bis 3 mal 
täglich gegebenen faustgroßen Klößen. Mit 1 bis 
1 3/¾ Jahren ißt das Kind alles, bekommt aber 
bis zum zweiten, ja bis ins dritte Lebensjahr 
hinein die Brust daneben. Die Säuglingssterb- 
lichkeit schwankt hier zwischen 19,8 und 27,8 v. H. 
Sie ist geringer im Innern, an der Küste höher. 
Besonders lange nähren die Frauen im Be- 
zirk Kondoa-Irangi. Bis zum vierten und 
fünften Lebensjahre ist das hier keine Seltenheit. 
In der Zeit des Stillens müssen die Frauen 
nach Landessitte sich des geschlechtlichen Ver- 
kehrs enthalten. Hieraus erklärt sich auch die 
geringe Geburtenziffer in Ugogo, zumal an- 
scheinend das Abtreiben sehr verbreitet ist. Bei 
der an sich geringen Zahl lebensfähig geborener 
Kinder wirkt dann noch die Säuglingssterblichkeit, 
die trotz des langen Stillens der Mutter auch 
hier sehr groß ist, ungünstig auf den Nachwuchs ein. 
Eine weitere nicht zu unterschätzende Gefahr 
für das kindliche Leben besteht in dem Gebrauch
	        
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