Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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hierfür die Erklärung in dem Betelkauen zu finden 
Der feinpulverisierte Muschelkalk, der jeder Betelportion 
zugefügt wird, ist sehr wohl b geeignet, dieselben Dienste 
wie die eßbaren Erden zu leisten, nämlich der Kalk- 
armut der Nahrungemittel abzuhelfen. Möglicherweise 
kommt überhaupt dem obligaten Kalkzusatz ursprüngl ch 
diese gleichsam physiologische Bedeutung z den 
Inseln, von denen das Erdessen berichte —* WVeeont 
der Betelgenuß. 
Wie der Infektion mit Ankylostomiasis, so scheint 
auch der mit Frambösie nur ausnahmsweise ein 
Mensch auf Jap zu entgehen. Wohl nirgends werden 
sich ihre vielgestaltigen Krankheitsäußerungen besser 
verfolgen, süssen als dort, wobei wieder zu konstatieren 
ist, daß d Wesikaroliner auch auf ediese Infektion be- 
sonders döhhaf= reagieren. Abge von den ins 
Kindesalter fallenden wohlbekatelene Früchsymptomen 
treten gerade hier die destruierenden Spätformen in 
besonderer Häufigkeit auf und geben mehrere gut um- 
schriebene augensällige Krantkheitsbilder. Das ent- 
sezlichste von ihnen ist es „Lug“, jener sonst als 
Gangosa oder guen shan es mutilans bezeichneten 
Affektion mit ihren fürchterlichen Entstellungen des Ge- 
sichtes. Sie spielt sich zwar stets im Bereiche von 
Mund, Nase und Nachen ab, so daß der an sich schon 
unförmige lateinische Name richtiger Labiorhyno= 
pharyngitis heißen müßte, aber ihre Intensität wechselt 
in weiten Grenzen. Im gangen sind drei Stärkegrade 
zu unterscheiden. Erstens die harmloseste Form, bei 
der nur geringe Teile der äußeren Lippen= und Nasen- 
haut geschwürig ergriffen werden. Nach der Abheilung 
erinnern die Narben solcher Kranken an besonders tief- 
gehende Pockennarben. Beim zweiten Grade greift das 
eiden auf die Schleimhäute über, von denen es bis- 
weilen auch seinen Ausgang nimmt. Entsprechend ist 
die narbige Entstellung von Mund und Nase schon viel 
tärker. Beim dritten Grade erreicht diese ihren Höhe- 
punkt, indem neben Haut und Schleimhäuten auch die 
Knochenteile ergriffen und zerstört werden, so daß nach 
der Abheilung nichts mehr von einem menschenwürdigen 
Gesicht übrig bleibt. Eine gräßliche Narbenfläche mit 
einer unförmigen Offnung, die ehemals Mund und 
Nase entsprach, und mit ektropisch verzerrten Angen 
tritt an seine Stelle. Selbst das ganze Dach des 
harten Gaumens kann vernichtet sein, so daß man bei 
einem solchen Unglücklichen von der Nasenhöhle ans 
die Zunge liegen ieht. Solcher schweren Fälle laufen 
ungefähr 30 auf Jap herum. Bedeutend höher ist die 
Zahl der leichteren Gangosafälle. Wie alle frambö- 
sischen Spätformen tritt sie nur bei Erwachsenen auf. 
Nächst dem Gesicht sind ihre Zers törungen am häufigsten 
und auffälligsten an Händen und Füßen zu beobachten. 
Auch bei dieser Form lassen sich drei Intensitätsgrade 
unterscheiden. Beim mildesten beschränkt sich der Vor- 
haug auf die äußere Hant, die teils ohne Geschwürs- 
ildung, gewissermaßen „geschlossen", zu lamellöser 
Abstoßung unter Hinterlassung pigmentloser Flecken 
kommt, teils als „offene“ Frambösie zu Rhagaden und 
Geschwüren führt. Im zweiten Grade geht sie, wieder 
entweder ohne oder mit Ulzeration, auf die tieferen 
Gewebsschichten über, namentlich die Sehnenscheiden 
r Haud, wo sie nach der Ausheilung mit Vorliebe 
Kontrakturen eines oder mehrerer Finger in Beuge- 
stellung verursacht. Wird nur der kleine Finger von 
dieser betroffen, so erinnert das Ganze sehr an das 
sonst als Dupuytrinsche Fingerkontraktur bekannte Bild. 
Von einem früheren Beobachter (rämer) wurde ge- 
rade dieses als „Karolinerhand“ beschrieben und 
ursächlich auf die viele Beschäftigung mit dem Segeln 
zurückgeführt. Damit hat es sicher nichts zu tun, denn 
es findet sich oft genng bei alten Weibern, die nie ein 
  
  
  
  
  
Segel in die Hand nahmen. Uberdies habe ich seine 
unmittelbare Entstehung aus der Frambösie gut 
beobachten können. Der dritte Grad reicht mit seinen 
Zerstörungen über die Sehnen bis auf die Knochen 
und scheint im Gegensatz zur eben geschilderten Form 
häufiger den In als die Hand zu befallen. Unbehandelt 
hinterläßt er an Stelle des Fußes eine unförmige. 
völlig Oölemtlose. klumpige Masse, die entweder noch 
einige Zehenstummel trägt oder selbst ganz ohne solche 
sein kann. Als Folgeerscheinung dieses „Japfußes“ 
stellt sich Atrophie des ganzen Unterschenkels ein, dessen 
Muskeln ja durch die völlige Versteifung des Fußes 
außer Tätigkeit besenn sind. Obschon seltener, kommen 
doch ganz die entsprechenden Verstümmelungen auch 
an der Hand vor. Es würde zu weit führen, wollte 
ich neben den eben skizzierten beiden am meisten hervor- 
tretenden noch alle anderen Spätformen der Frambösie 
schildern. Es sind im Wesen die gleichen wie sie aus 
anderen Framöösieläindern der Welt beschrieben worden 
sind. Nur wird sich kaum ein anderer Volksstamm 
einer so untvbersellen, so vielgestaltigen und dabei in 
ihren Außerungen so schweren Durchseuchung rühmen 
können wie der von Jap. 
Wir kommen zur dritten und meiner Überzeugung 
nach verhängnisvollsten der drei großen Volkskrank- 
heiten Japs, der Tuberkulose. Obwohl wir allen 
ihren aus Curopa bekannten Formen auch hier begegnen, 
so ist, abgesehen von ihrer ganz enormen Verbreitung. 
dem Beobachter doch sofort zweierlei auffällig. Das 
ist erstens ihr ungleich bösartigerer, oft galoppierend 
zum Tode führender Verlauf und zweitens das starke 
Prävalieren bestimmter Perlaufstypen. Wir greifen 
kaum zu hoch, wenn wir jeden 5. bis 6. Menschen der 
Insel als klinisch tuberkulös ansehen. Hat doch 
Dr. Buse rund 600 Ingendliche allein mit Drüssen- 
wbextloi in Beobachtung bzw. Behandlung. Objektiv 
t sich die Malignität der dortigen Tuberkulose u. a. 
ur dem Aunsfall der Pirquetschen Reaktion. Wir haben 
bei ihr nicht, wie es in der Heimat durchweg zu sein 
pflegt, an der Impfstelle eine rasch vorübergehende, 
wallartige Induration, sondern sehr häufig bilden sich 
unter heftigen örtlichen Entzündungserscheinungen 
Bläschen aus, die entweder unter Borkenbildung ab- 
heilen *— auch zu stark nässenden und schlecht heilenden 
Ulzerationen führen, so daß der ganze Ablauf der 
Reaktion äußerlich einer (Schuspockenimpfung mit ab- 
norm starkem Ausfalle gleicht. Die drei bevor ugnen 
Typen der Japtuberkulose sind 1. Drüsen-, 
3. Hauttuberkulose. Die Aassenneisen leitet meist 
die Szenerie ein und entspricht im Grunde der hei- 
mischen Skrophulose des Kindesalters. Kommt sie 
nicht zur Ausheilung oder zu tödlicher Miliartuber= 
kulose, so schließt sich die Lungentuberkulose an, und 
zwar viel häufiger als daheim. So entsteht jenes von 
den Eingeborenen gefürchtete und in den früheren Be- 
richten aus den Karolinen viel erwähnte Leiden des 
Safrit, ein Wort, das man am besten mit unserem 
deutschen „Anszehrung“ übersetzen würde. Mir ver- 
dolmetschte es ein intelligenter Japmann nicht un- 
bezeichnend als „die Krankheit, bei der ein Mensch 
immer weniger wird“. Man ist auch ärztlicherseite 
aufangs geneigt gewesen, Safrit als eine eigene Krank- 
heit aufzufassen. In der Tat sind die Drüsen- und 
die Allgemeinerscheinungen oft so hochgradig, wie man 
sie nie bei der heimischen Skrophnlose zu Gesicht be- 
kommt. Zu beiden Seiten des kindlichen Halses liegen 
bis zu Faustdicke die Drüsenpakete, vom Lieferwinkel 
bis unter die Claricula herabreichend, anfangs solid, 
sehr bald verkäsend, und man ist nach einer operativen 
Ausränmung erstaunt, wie überhaupt solche ungeheuer= 
lichen Drüsenmassen anatomisch haben Platz finden
	        
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