Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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auf Windhuk oder in der Zusammenstellung be- 
griffen. 
Ich gebe in folgendem einen Auszug aus 
meinem Tagebuch: 
Am Abend des 11. März wurde ich zum Chef 
des Stabes, Oberstleutnant v. Redern, befohlen 
und erhielt den Befehl, mit 30 Reitern über 
Haris nach dem Kuiseb zu rücken, die ge- 
meldete Werft aufzuheben, spätestens aber am 
20. März mit leistungsfähigen Pferden wieder in 
Windhuk einzutreffen. Mit den Worten: „Na 
denn, Soldatenglück und auf Wiedersehen!“ wurde 
ich entlassen. 
Der Zug traf am 13. März morgens in Haris 
ein. Ich nahm den Kommandanten der dortigen 
Besatzung, Sergeanten Kirstein, und den zu- 
gelaufenen Herero mit und traf noch am Abend 
auf der Farm Meiburg, etwa 15 km südlich 
Haris, ein. 
Von da ab nach Westen war die Kriegskarte 
1: 800 000 ein weißes Blatt und uns allen, 
außer dem Herero, unbekannt. Dieser war ge- 
willt, uns zu führen; die blutigen Striemen, die 
der Sjambok seines Kapitäns auf seinem Rücken 
hinterlassen hatte, peitschten seine Rache auf. 
Er führte uns im allgemeinen in westlicher 
Richtung zuerst über eine wellige, mit ziemlich 
dichtem und hohem Dornbusch bedeckte Steppe, 
aber schon am Abend des 14. begann ein Ge- 
wirr von Hügeln und mit grobem Steingeröll 
bedeckter Kuppen, und als wir am 15. den 
Kuiseb überschritten hatten, traten wir in ein 
fast pfadloses, schroff zerklüftetes Gebirgs- 
gelände ein. 
Jeder hatte den brennenden Wunsch, an den 
Gegner zu kommen, aber in dem von Schluchten 
zerrissenen Gebiete kamen wir, indem wir die 
Pferde meist am Zügel hinter uns her zerrten, 
nur langsam vorwärts. 
Am 16. nachmittags begann der führende 
Herero merklich unruhig und unsicher zu werden. 
Ich schloß daraus auf die Nähe der Werft und 
ließ, soweit das Gelände es zuließ, in größerer 
Gefechtsbereitschaft als bisher marschieren. Wir 
kamen dadurch noch langsamer vorwärts und 
hatten bis zum Einbruch der Dunkelheit, die uns 
in einer ganz garstigen Schlucht überraschte, noch 
keine frische Spur bekommen. Wiewohl kaum 
eine Hoffnung bestand, bei Nacht aus dieser 
Schlucht herauszukommen, die jetzt noch im 
Mondesschatten lag, versuchte ich es doch, und 
nach einer Stunde beschwerlichen Kletterns waren 
wir unter Verlust von zwei Pferden, die von 
einem schmalen Felsenband in die Tiefe gestürzt 
waren, auf eine kahle und steinige Höhe gelangt, 
auf der wir ohne Feuer zu machen die Nacht 
zum 17. verbrachten. 
  
In der Morgendämmerung des 17. gings in 
nördlicher Richtung weiter; nach meinen Auf- 
zeichnungen mußten wir jetzt in Luftlinie etwa 
50 km westlich Haris sein. In dem Meer von 
Kuppen sah man in etwa 5 km Entfernung gen 
Nordwest einen nach Westen steil abfallenden 
schroffen Felsgrat, auf dessen Schutthalde die 
eben aufgehende Sonne einen tiefblauen Schlag- 
schatten warf. An diesem Schatten hingen die 
Blicke unseres schwarzen Führers recht sorgenvoll, 
und auf Befragen sagte er, daß dort die Werft 
sei. Über deren genauere Lage aber konnte ich 
mangels eines Dolmetschers keine befriedigende 
Auskunft erhalten, obwohl der üÜberläufer mit 
dem Finger im Sande einen sehr schönen Plan 
gezeichnet hatte. 
Bald schnitten wir die ersten Weidespuren 
von Großvieh, etwa zwei Tage alt, in einem 
Flußbett, das von etwa 40 m hohen Wänden 
eingefaßt war. Mit großer Vorsicht ging es jetzt 
vorwärts; die Belohnung, die ich unserm Führer 
versprochen hatte, wurde noch um einen Ochsen 
erhöht, um seinen Mut nicht ins Schwanken 
kommen zu lassen. Wegen der Nähe der Werft 
und wegen der starken Staubentwickelung, die 
unser Vorgehen im Flußbett verursachte, ging 
ich an der nächsten flacheren Uferböschung links 
aus dem Rivier heraus auf die Höhen und sah, 
daß wir dem Felsgrat, der unser Ziel bildete, 
erheblich näher gekommen waren. 
Es ging jetzt abschnittweise von Deckung zu 
Deckung vorwärts. Die Sonne brannte heiß, 
noch war kein Windhauch aufgekommen, es war 
halb neun. Hinter einer flachen Kuppe kroch ich 
in die Höhe und konnte jetzt am Abhang gegen- 
über der schroffen Wand etwas wie einen Kraal 
und unter der Wand ein kleines Stückchen eines 
blinkenden Wasserspiegels erkennen. Leben sah 
ich keines; nach den Zeichen meines Führers 
mußten die Pontoks vom Kraal aus weiter links 
gegen die Höhe zu liegen. 
Recht günstig schienen die Verhältnisse für 
einen Überfall nicht; der Höhenzug wurde gegen 
die Werft zu immer flacher; der Busch war ganz 
licht; es waren noch etwa 1200 m bis zu dem 
Kraal, hinter welchem das Flußbett einc scharfe 
Biegung machte, die nicht mehr einzusehen war. 
Dort konnte noch manche Uüberraschung ver- 
borgen sein. 
Weiter vor konnten wir gedeckt nicht kommen; 
ich ließ die Handpferde mit acht Reitern hier 
zurück. Dann nahm ich acht Schützen mit zehn 
Schritt Zwischenraum in die erste Linie, die ich 
selbst gerade auf die Werft los führte und ließ 
die zweite Linie, 14 Schützen, entwickelt auf 
200 m unter Kirstein folgen. 
Die Spannung stieg mit jedem Schritt. Für
	        
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