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Zum Glück wurde ich aber als ordinierter
Missionar endlich freigegeben und nach Deutsch-
land entlassen.
5. Der Tod von Frau Missionar Märtens
in Accra.
Das traurigste Ereignis für uns während der
Zeit unserer Kriegsgefangenschaft war das Ab-
scheiden der Frau Missionar Märtens.
Wir mußten schmerzlich erfahren, daß die Eng-
länder sogar kranke Frauen als Kriegs-
gefangene behandeln. Wohl und frisch war
Frau Märtens am 29. September mit uns in
Gefangenschaft. Bald nachdem wir auf der Gold-
küste untergebracht worden waren, machten sich
aber die Folgen der mancherlei Entbehrungen
und Beschwerden der vergangenen Tage bemerk-
bar. Sie fing an zu kränkeln. In unserer Lage
als Kriegsgefangene vermochten wir nur wenig für
sie zu tun. Nach der Gefangennahme war uns von
englischen Soldaten fast unser ganzes Geld abge-
nommen worden und wir erhielten trotz wiederhol-
ten Bittens nichts davon zurück. Wir durften auch
das Haus nicht verlassen. Unsere Männer, die
sich etwa eine halbe Stunde von uns entfernt in
einem Gefangenenlager befanden, erhielten erst
nach vielen Bitten die Erlaubnis, uns zu be-
suchen. Frau Märtens wurde immer elender,
aber der Arzt, der hin und wieder flüchtig zu
ihr hinschaute, hatte nur häßliche Bemerkungen,
wenn er sie liegend antraf.
Als wir später eine Wohnung in den Basler
Missionswerkstätten in Christiansborg bezogen,
kümmerte sich die Regierung nicht mehr um uns.
Trotz aller Versuche unsererseits. Frau Märtens
zu helfen, trat leider keine Besserung ihres
Zustandes ein. Appetitlosigkeit, häufiges quälendes
Erbrechen und daraus folgende Schwäche nahmen
zu. Frau Märtens wandte sich an den Bastler
Missionsarzt Dr. Huppenbauer. Dieser kam be-
reitwilligst von seiner Missionsstation Aburi, um
nach ihr zu sehen und sie in Behandlung zu
nehmen. Eine kleine, leider nur vorübergehende
Besserung trat ein. Da wurde auch Dr. Huppen-
bauer in Gefangenschaft gesetzt, obwohl er als
Arzt den Engländern in ihrer Kolonie diente.
Zu gleicher Zeit wurden wir Missionsgeschwister
wieder von unserer Wohnung, wo wir uns
größerer Bewegungsfreiheit erfreuten, fortge-
nommen und alle in das gemeinsame Kriegs-
gefangenenlager in Acera geschafft. Frau Märtens
fand Aufnahme im Kolonialhospital. Ihre
Behandlung dort war, wie wir später erfahren
haben, eine traurige. Weder der Regierungs-
arzt, noch die Hospitalschwester nahmen sich ihrer
gebührend an. Warum auch, sie war ja nur
eine deutsche Kriegsgefangene! Freundliche
Behandlung und liebevolle Aufmerksamkeit ließen
ihr ihre beiden schwarzen Krankenwär-
terinnen zuteil werden, deren Liebe und Mit-
gefühl sie durch ihr freundlich-stilles Wesen schnell
gewonnen hatte. Die Ruhe und Sauberkeit des
luftigen Krankenzimmers tat ihr wohl und unter
der fürsorgenden Pflege der schwarzen Wärterinnen
fing sie an, sich ein wenig zu erholen.
Doch da wollte man sie auch schon nicht
länger im Hospital behalten. Nach fünf Tagen
mußte sie heraus und wurde nach dem Ge-
fangenenlager gebracht. Die Unruhe im Lager,
wo etwa 150 Gefangene beieinander waren,
sowie die für eine Kranke ganz unzuträgliche
Kost wirkten nachteilig auf sie ein. Schon
nach einigen Tagen verschlimmerte sich ihr Zu-
stand wieder. Nur einmal sah der Arzt des
Gefangenenlagers auf Missionar Märtens'’ wieder-
holte Bitte nach ihr, aber nur ganz flüchtig,
ohne irgendwelche Anordnungen zu treffen. Nach
acht Tagen war Frau Märtens wieder so elend,
daß sie ins Hospital zurückgeschafft werden
mußte. Nie werde ich den Augenblick vergessen,
als sie uns Lebewohl sagte. Sie war so eigen-
artig ruhig und gefaßt. Man legte sie in eine
Hängematte und so entschwand sie, von Schwarzen
getragen, unseren Augen. Obwohl das Hospital
nur wenige Minuten von uns entfernt war,
wurde doch jede Verbindung zwischen uns
und ihr abgeschnitten. Selbst ihr Mann
durfte sie nicht besuchen. Seine wiederholten
Bitten um Erlaubnis blieben unerfüllt. Von dem
Arzt des Gefangenenlagers, bei dem er sich nach
dem Ergehen seiner kranken Frau erkundigte,
erhielt er stets nur kurze Antworten, die erkennen
ließen, wie unwillkommen deutsche Gefangene im
Hospital seien. Zwei Tage vor ihrem Heimgang
sagte er noch: „Ihre Frau ist besser und wird
heute entlassen, wir können sie nicht immer im
Hospital behalten.“ Wir trafen dann Vor-
kehrungen für ihre Rückkehr, doch warteten wir
vergeblich.
Frühmorgens am nächsten Tage kam der
Hospitalarzt, um Missionar Märtens mitzuteilen,
daß er für ihn die Erlaubnis erwirkt habe,
seine Frau zu besuchen, die sehr elend und
niedergeschlagen sei; er solle nur gleich kommen.
Begleitet von einem bewaffneten Soldaten trat
Missionar Märtens in das Krankenzimmer ein,
wo er seine Frau bereits so schwach vorfand,
daß sic nicht mehr sprechen konnte. Nach ihrem
Ergehen gefragt, antwortete sie ihm flüsternd:
„Sehr gut, sehr gut.“ Er blieb den Tag über
bei ihr und konnte seine Frau gemeinsam mit
einer schwarzen Wärterin pflegen. Keine der
Hospitalschwestern kümmerte sich um sie. Ihre