Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

„Kölnischen Zeitung“ erschienen, er soll jedoch 
auch hier Aufnahme finden, um auch weiteren 
Kreisen bekannt zu werden: 
An die zwei Jahre währt nun schon der Welt- 
krieg. Schwer, sehr schwer haben es alle deutschen 
Südwestafrikaner empfunden, daß sie nicht daheim 
mitkämpfen, mithelsen durften. Wie es hier kommen 
mußte. falls das Ringen lange dauerte, ahnte man 
im Herzen von vornherein, wenn man es auch nicht 
aussprach. Das aber bedrückte uns nicht, nicht war 
uns bange um das eigene kleine Schicksal eines 
kleinen Splitters des großen deutschen Volles. Doch 
das Gefühl, hier drüben festgebannt zu sein, wo das 
Vaterland alle seine Kräfte zu dem Titanenkampf 
gegen eine Welt, um eine Welt sammelte. zu leben 
und doch nicht das Erbabenste mit zu erleben, was 
ein Deutscher erleben durfte und je erleben wird, 
dar wurmte uns alle 
Manche Monate sind es jetzt schon her, daß der 
Schlußakt der Tragikomödie des „Heldenkampfes der 
Union gegen das lleine Südwest“, „des Elefanten 
gegen die Mans“, wie ein in Südafrika veröffent- 
lichtes Sportgedicht auf Botha ihn nannte, in Khorab 
spielte. Viele haben ihr ganzes Besitztum verloren. 
und sicher ist heute noch memand seines Eigentums. 
1 Doch frendig ertragen wir alles, sind wir doch gewiß: 
die Heimat wird dieses Land. für das in 30 Jahren 
nun schon soviel deutsches Blut geflossen ist, nicht 
im Stiche lassen, Südwestafrika wird nicht englisch 
und nicht burisch werden, und wir werden nicht ge- 
zqwungen sein, was uns der Krieg ließ, für einen 
Spottpreis zu verschleudern und dem Lande, dem 
unsere Lebensarbeit galt, das wir deutsch machen 
wollten, heimatlos den Rücken zu kehren. 
Man wird daheim gerecht sein und uns nicht 
die Verantwortung dafür aufbürden, daß unser kleines 
Häuflein deutscher Männer, schlecht ausgerüstet wie 
es war, dem Ansturm so überlegener, mit allen 
modernen Kampfmitteln versehener Massen auf die 
Dauer nicht standhalten konnte. Südwestafrka war 
in keiner Weise auf diesen Kampf mit der Union 
vorbereitet, darüber muß man sich klar sein. Man 
hat ja von jeher daheim den Standpunkt eingenommen: 
die Kolonien werden in Europa verteidigt, und dem- 
entsprechend die Schutztruppe nur als Schirm gegen 
Eingeborenenaufstände betrachtet und zugeschnitten. 
Man konnte logisch folgern: Sollte das Land in 
Europa verteidigt werden, die Truppe nur Schutz 
gegen Unruhen der Einwohner sein, so hätte man 
sie zur Polizeitruppe machen und im Kriegsfall sagen 
müssen: So, verehrter Feind, hier hast du einstweilen 
Südwest, wir holen es uns in der Nordsee wieder. 
Dann hätte man wenigstens Verluste an Blut und 
Vermögen vermieden. So denkt man aber nicht im 
Lande, im Gegenteil, man wäre empört gewesen, 
würde man von Berlin ein solches Ansinnen an uns 
gestellt haben. Aber man darf sich daheim nicht 
wundern, daß die Schutztruppe das Land nicht 
zum Friedensschluß halten komte. Es soll auch un 
bestritten werden, daß die Mittel, die eine Schutz- 
truppe von etwa 10 000 Mann (statt unserer 1900) 
erfordert haben würde, besser zur Ansgestaltung der 
Wehrkraft des Vaterlandes Verwendung fanden. 
Aber dann soll man gerechterweise auch nilt schelten, 
weil Südwest nach elf Monaten des Widerstandes 
schließlich doch vom Feinde besetzt wurde, und darf 
nicht in den Fehler verfallen, jemand für den Aus- 
gang des Kampfes verantwortlich und zum Sünden- 
bock zu machen, weil die wenigen tansend Südwester 
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mit ihren völlig ungureichenden Mitteln nicht in der 
Lage waren, bis zum siegreichen Ende durchzuhalten. 
Betrachtet man im einzelnen die Lage des Schutz- 
gebietes zu Ausbruch des Weltkrieges, so ergibt sich: 
Die aktive Truppe war nominell nur 1967 Köpfe 
starl. Die Organisation der Wehrvflicht war erst 
begonnen, das Land konute bei einer Gesamt= 
bevölkerung von höchstens 15 000 Weißen und rund 
6500 erwachsenen Männern im Zivilstand (etwa 3500 
waren davon eingezogen) keine Armee aufstellen: 
Der Schutztruppe fehlte, da sic nur für einen Ein- 
js ausgerüstei war, alles an modernen 
Kampfmitteln, wie sie die Heimat hat. Die im 
Lande vorhandenen wenigen Autos kamen kaum in 
Frage, die zwei lebensgefährlichen Flugzenuge älterer 
Bauart, die hier eingetroffen waren, um Probeflüge 
abeuhalten, genügten nicht entfernt. Proviam war 
sehr lnapp, so knapp, daß die Eingeborenen der 
Zivilbevöllerung — was ihre Stimmung bedenllich 
beeinflussen mußte sehr bald halbe Portionen und 
schließlich meist nurmehr Mitch und Fleisch, kein Me#l 
und keinen Reis, erhalten konnten. Vor allem reichten 
die Vorräte an Kraftfutter für die Tiere der Truppe 
bei weitem nicht. Proviant und Kraftfutter waren 
deshalb sogar besonders knapp, trotz andauernder 
Bemühungen der Intendantur, die Hilfsmittel des 
Landes auszunützen, weil der Jahresersatz für die 
Schutztruppe zwischen August und Okioberanzukommen 
pflegte und nun nicht mehr hereingebracht werden 
konntc. Auch in finanzieller Hinsicht war nichis vor- 
bereitet. Es fsehlte an barem Gelde, sogar an Reichs- 
kassenscheinen und Banknoten, und nur der geniale 
Gedanke, durch die Ausgabe von Gouvernemente= 
Papiergeld mehr Umlaufsmittel zu schaffen und dar 
bei Beginn des Krieges überall äugstlich verborgen 
gehaltene Geld wieder hervorzulocken, hat eine böse 
Mattstne verhindert. 
- Verbindung mit der Heimat hielt in den 
ersten Kriegswochen die glücklicherweise gerade not- 
dürftig sertig gewordene Groß-Funkenstation Wind- 
huk über Kamina (Togo) einigermaßen aufrecht; als 
aber das kleine Togo sein Schicksal rasch ereilt hauce. 
hörten wir nur bei besonders günstiger Witterung 
dann und wann einmal Bruchstücke der Nauener 
Funksprüche. Das einzige Kabel war englisch und 
sofort unterbunden. Versuche, über Angola Ver- 
bindung mit Deutschland herzustellen, scheiterten, 
ebenso wie der Versuch, von dorther Proviant, be- 
sonders Zucker und Hafer, herbeizuschaffen, durch das 
Übelwollen der Portugiesen mißlang und schließlich 
zum Mord von Naulila und zur Nacheexpedition 
dorthin führte. Post aus Deutschland haben wir 
bis zur Kapitulation von Khorab nicht ein einziger 
Mal erhalten. 
Auch der Eingeborenen waren wir durchaus 
nicht sicher. Die bisher treuen Bastards wurden 
infolge britischer Aufwiegelungen allmählich immer 
aumasßender und standen schließlich direkt auf. An 
der Grenze auf britischem Gebiet waren vom großen 
Aufstand her Bondelshottentotten angesiedelt, gerade 
die gefährlichsten Hallunken, die Mordtaten auf dem 
Gewissen hatten und nur auf den Augenblick warteten, 
wo sie ihre unterworfenen Stammesgenossen zum 
Aufruhr gegen uns aufstacheln konnten. An Ver- 
suchen dagu hat es nicht gefehlt, und nur das Ab- 
schieben des gangen Bondelstammes nach dem Norden 
hat einen Hottentottenkrieg verhindert. Samuel 
Mahahero saß in der Union, gehätschelt von den 
Engländern. Auch er schickte Boten hierher und suchte 
die Herero gegen uns rebellisch zu machen, was ihm 
aber nur teilweise gelang, weil der Stamm zerstreut 
  
 
	        
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