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und verlegte das Hauptgewicht des Angriffs auf
den Vorstoß von Lüderitzbucht aus, wo er vom
19. September an unter dem Schutz von Kriegs-
schiffen gewaltig überlegene Truppenmassen gelandet
hatte. Die vom Oranje zurückgegogenen Truppen,
meist der permanent forec angehörig. führte Botha,
den Aussagen vieler feindlicher Offiziere zufolge,
gegen die Aufständischen im Freistaat. Unsere Truppen
wureen daher an der Linie Lüderitzbucht—Keeimans-
hoop, und zwar bei Aus, wohin der Gegner einen
langen, sehr beschwerlichen Anmarsch durch die wasser-
lose Namib hatte, vorgelegt. Dort schufen sie sich
eine starke Stellung, aus der sie nicht herausge-
worsen wurden, sondern später „herausmarschiert“
worden sind.
Mittlerweile war die Nachricht gekommen, daß
portugiesisches Militär in Fort Naulila den Bezirks-
amtmann Schulze- Jena von Outjo, den Oberlentnant
Lösch und den Farmer Röder nebst drei Reitern
und mehreren eingeborenen Polizeidienern meuch-
lerisch überfallen hatte. Schulze-Jena, Lösch und
Röder waren ermordet worden, die Reiter verwundet
gefangen. Es stellte sich heraus, daß der portu-
giesische Kommandant des Forts unsere Herren zum
Besuche des Forts eingeladen und sie dann feige
niedergemacht hatte. Wir waren von der Außen-=
welt fast völlig abaeschnitten, und man mußte in
diesem Vorgehen eine feindselige Handlung Por-
tugals gegen das Schutzgebiet sehen. Bestärkt wurde
man im Schutzgebiet in dieser Ansicht, weil schon
vorher bekannt geworden war, daß Portugal die
dentschen Untertanen in Angola festgesetzt hatte.
Major Franke wurde daher mit einer kleinen Ab-
leilung der 6. und 2. aktiven Kompagnie und der
aktiven 1. Batterie nach Norden geschickt, um den
Mord zu rächen und durch Niederwerfung der portu-
giesischen Truppen an der Grenze den Norden gegen
einen Einfall poringiesischer Horden zu sichern.
Franke und seine Abteilung waren der Verteidigung
gegen die eingesauenen unioneruyen dadurch etwa
von Mitte Oktober Ende Januar entzogen, was
eine empfindliche nschin unserer geringen Kräfte
bedeutete, aber nicht zu vermeiden war. Major
Franke war noch nicht bis Okanknejo gekommen, als
uns das Unglück bei Kaltfonleinn traf. Bei Versuchen
mit kurg vor Kriegsbeginn übersandten sogenannten
Gewehrgranaten explodierte am pP. November ein
solches kleines Geschoß direkt bei Abgabe des Schusses
und verletzte u. a. auch den Kommandeur der Truppe,
Oberstleutnant v. Heydebreck, so schwer, daß er
nach einigen Tagen an den Folgen der Wunde starb.
Da die Union, wie man wußte, noch mit ihren Vor-
bereitungen zu ihrem Raubgug nach Südwest be-
schäftigt und noch nicht in der Lage war, nach allen
Seirten anzugreifen — Swakopmund war am 14. Sep-
tember und später mehrere Male von einem briti-
schen Hilfskreuzer nur beschossen worden, es waren
dort aber keine Truppen gelandet —., übergab Major
Franke als ältester Stabsoffizier der Schutztruppe
den Befehl über die übrige Schutztruppe an Major
Ritter, um selbst erst die ihm früher gestellte Auf-
gabe im Norden zu lösen, dort Luft zu schaffen. Das
gelang Franke denn auch nach einem außerordent-
lich schwierigen Anmarsch durch endlose wasserlose
ebiete. Er faßte den bei Naulila stark verschanzten,
fünffach überlegenen portugiesischen Gegner und
schlug ihn derart, daß während des ganzen übrigen
Feidpuges. hine Aktion der Poriugiesen nicht mehr
in Frage ka-
Wä brend die Abteilung Franke im Norden weilte,
ereignete sich zunächst nichts von besonderer Beden-
tung. Fast tagtäglich gab es allerdings an den ver-
schiedenen Fronten kleinere Zusammenstöße, Pa-
tronillengefechte und ähnliches. Ostlich Hasuur machte
sich eine Tätigkeit des Feindes bemerkbar, und
unsere Patronillen klärten bis weit in das brirische
Betschuanenland hinein auf, manch schönen Erfolg
erringend. Im Sidosten operierten Maritz und
seine Freunde gegen die auf der Linie Prisla-
npiußion sich mehr und mehr sammelnden Ausgebote
#lense forcc.
Am Oranje selbst, soweit er die deutsch-britische
Grenze bildet, gab es ebenfalls fortwährend Plänke-
leien. Oft überschritten unsere Patronillen den zeit-
weilig hochgeschwollenen Fluß, einmal drang eine
unserer aktiven Kompagnien sogar über Steinkopf
das britische Namaland vor und zerstörte die
Bahn nach Port Nolloth an zwei Stellen. Von
Lüderitbucht aus suchten die Engländer die zerstörte
Lüderitzbuchtbahn wiederherzustellen. Dabei wurden
sie von unseren Patronillen ständig belästigt. Trotßz
der Anwesenheit des damals schon etwa 10 000 Mann
starken Feindes dort gelangten unsere wackeren
Reiter sogar immer wieder auf die Diamantfelder,
brachten auf Kamelen beachtenswerte Mengen Pro-
viant von den südlichen Arbeitsstätten der Diamant-
gesellschaften in Sicherheit und zerstörten, was für
den Feind von Wert sein konnte. Eine Patrouille
wagte sogar einen Streifzug von Aus an Lüderit-
bucht vorbei, die Küste nördlich hinauf, rollte dabei
auf den nördlichen Diamantfeldern auf, wad an
Deutschen dort gurückgeblieben war, und lam über
Walfischbai ohne Verluste an den Swakop. Nicht
immer aber kehrten die beherzten deutschen Männer
von diesen Ritten durch die wasserlose Wüste zurück.
Die Übersichtlichkeit der Namib und die Überlegen-
heit des Feindes an Zahl und Beschaffenheit der
Reittiere hatten zur Folge, daß diese Patronillen oft
verhältnismäßig große Verluste erlitten und manch-
mal, leider allzu häufig, nicht wiederkehrten.
Am 15. Degember wurde durch einen der beiden
Flieger, den Leutnant v. Scheele, festgestellt, daß
der Feind begann, sich von Lüderitzbucht aus vor-
zuschieben:; bei Rot-Kuppe, Kilometer 37 der Bahn,
wurde ein neues Lager vom Fluggeng aus gesichtet.
Schon am folgenden Tage griff eine feindliche No-
lonne von fünf Schwadronen mit vier Maschinen-
gewehren unsere Vorposten bei Garub, rund 100 km
von der Küste entfernt, an; leider entzog sic sich
noch rechtgeitig der drohenden Umklammerung, ging
zurück und setzte sich bei Tschankaib, Kilometer 72
der Bahn, fest.
Da erschienen am 21. Degember plönzlich Schiffe
vor Walfischbai. Bisher hatte nur dann und wann
ein britischer Hilfskreuzer die Reede von Swakop=
mund besucht und dort Funkenstation, Landungs-
brücken, die Gebände der Zol- und Hafenverwaltung
sowie einmal abziehende Ochsenwagen beschossen,
jedoch keine Truppen gelandet. Diesmal aber
wurden in Walfischbai große Truppenmassen ausge-
schifft. Der Angriff entlang der Wasserader Swakop,
nach dem Herzen, nach Windhuk zielend, wurde
angesetzt, das war unzweifelhaft, und damit begann
eine völlig neue Phase des ungleichen NKampfes.
Unser ganzer Berteidigungsplan mußte jett ge-
ändert iverden. Da der Gegner sofort mit einem
Vahnbau Walfischbai— Swakopmmod begann, den die
einzige bei Swakopmund am Swakop liegende
Küstenschutzkompagnie unter Hauptmann Sculteius
natürlich nicht verhindern konnte, mußte sofort Sorge
getragen werden, daß weitere Truppenkörper von
anderen Stellen herangezogen wurden, damit nicht
—.