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zösische Botschafter war der Ansicht, daß die
Bahnfrage besser später zu behandeln sei, nach-
dem die territorialen Fragen geregelt und die
Grenzen der Staaten bestimmt seien; dann könnten
die Interessenten unter sich eine Verständigung
herbeiführen.
Im Gegensatz hierzu stimmten die englischen
und deutschen Bevollmächtigten dem amerikanischen
Vorschlag zu. Die belgischen Bevollmächtigten
wiesen auf das überwiegende Interesse der Be-
nutzung der beiden schiffbaren Wasserstrecken des
Kongo hin und beriefen sich zugunsten der Aus-
führung des Bahnbaues durch eine bestimmte
Ufermacht auf den Präzedensfall der Donau-
korrektion am Eisernen Tor.
Die Verhandlungen blieben erfolglos und die
Kommission war der Ausicht, daß es sich empfehle,
sie in einer Plenarsitzung weiter zu behandeln
und in der Zwischenzeit eine versöhnende Formel
zu suchen. Aber in der Konferenzsizung vom
23. Februar 1885 zog Mr. Sanford seinen
Antrag zurück, indem er auf die inzwischen er-
zielte Verständigung unter den Interessenten ver-
wies, die derartig erscheine, daß sie die Regelung
der Fragen der Herstellung von Berbindungs-
wegen sichere.
Bevor auf diese Verständigung näher einge-
gangen werden kann, erscheint es wichtig daran
zu erinnern, daß die Konferenz auf Anregung
der belgischen Bevollmächtigten den neuen Grund-
satz im internationalen Recht annahm, daß die
Straßen, Kanäle und Eisenbahnen, die zum Ersatz
von nicht schiffbaren Strecken eines unter euro-
päischem Recht stehenden Flusses erbaut sind,
denselben Grundsätzen unterstehen, wie der Fluß
selbst. Der Artikel 16 der Generalakte bestimmte
in Anwendung dieses Prinzips, daß die zum
Ersatz der unschiffbaren oder schwer befahrbaren
Strecken auf einzelnen Abschnitten des Kongo
und seiner Nebenflüsse erbauten Wege, Eisen-
bahnen und Kanäle als zugehörige Teile dieses
Flusses zu betrachten sind und daher dem Ver-
kehr aller Nationen offen stehen.
Während die Konferenz ihre Arbeiten fort-
führte, verhandelte die Internationale Association
mit Frankreich einerseits, mit Portugal anderseits,
um zu einer endgültigen Regelung ihrer Grenz-
streitigkeiten zu gelangen.
(Es folgen hier nicht weiter interessierende
Ausführungen über die Landanfprüche der drei
Parteien.)
Es bedurfte eines energischen Druckes, um
den Widerstand der portugiesischen Regierung zu
überwinden. Ein doppelter Schritt wurde in
Lissabon durch die Vertreter Belgiens und der
Association Internationale, dem sich Frankreich,
England und Deutschland auschlossen, unter-
nommen.") Er bewirkte, daß der Association die
Gebiete auf dem rechten Ufer des Kongo bis
Manianga, die ihr bereits von Frankreich zu-
erkannt waren, mit Ausnahme der Enklave von
Cabinda, die Portugal verblieb, zufielen. Auf
dem linken Ufer willigten die Portugiesen ein,
die Grenze bis Nokki zurückzuverlegen, indem sie
die Kwangolinie, an der sie bis dahin festgehalten
hatten, aufgaben.
Für die Eisenbahn hatten diese beiden Ver-
träge eine große Bedeutung. Die Abtretung des
unterhalb des ersten Kataraktes gelegenen Nokki
gestattete, die Eisenbahn auf dem linken Flußufer
anzufangen. Anderseits verlieh der Verzicht
Frankreichs auf seine Ansprüche auf das südliche
Ufer des Stauley Pool“") der Bahn einen vor-
züglichen Endpunkt und öffnete ihr einen unbe-
grenzten Ausgang nach den Gebieten Zentral-
afrikas.
Noch war kein volles Jahr seit der Berliner
Konferenz verflossen, als die Verwaltung des
Kongostaates am 24. Dezember 1885 mit einem
aus den Herren Mackinnon, Stanley und
Hatton bestehenden englischen Syndikat ein Ab-
kommen wegen Errichtung einer Gesellschaft mit
2 Millionen Pfund Kapital abschloß, die es unter-
nehmen sollte, einen Verbindungsweg durch Eisen-
bahn und Dampfer zwischen dem unteren und
oberen Kongo herzustellen.
In Ausführung dieses Abkommens sollte der
Kongostaat der genannten Gesellschaft eine Kon-
zessionsurkunde ausstellen. Nach dem im Entwur
fertiggestellten Wortlaut derselben hatte sich die
zu erbauende Linie völlig innerhalb der Grenzen
des Staates zu halten und konnte in einem oder
mehreren Abschnitten auf dem rechten oder dem
linken Ufer oder auf beiden Ufern gebaut und
die einzelnen Abschnitte sollten durch Dampfer
verbunden werden. Die Gesellschaft erhielt außer
dem Gelände, das sie zum Bau der Linie und
der Errichtung der Stationen und Magazine be-
durfte, für jede sertiggestellte und dem Verkehr
eröffnete Meile je 1000 ha Land, sei es längs der
Bahn oder anderswo in größeren oder kleineren
Blocks nach ihrer Wahl, und zwar für alle Zeiten
abgabenfrei. Der Staat verpflichtete sich außer-
dem 1. zur ev. Zahlung einer durch die Ausfuht
zölle gesicherten Unterstützung an die Gesellschaf.
um dieser die Gewährung von Dividenden an
ihre Aktionäre während der Banzeit zu ermog=
lichen, mit der Maßgabe jedoch, daß diese Unter-
stützung 40 v. H. der Zolleinnahmen des abge-
—
*) Vgl. hierüber „D. Kol. Bl.“ 1917, Nr. 10 lIl.
63.
"# Ziehe hierüber Artikel ! im „Deutschen Kolonial
blat## 1916. —. 59 ff., ebenso in „Aus den Archiven v
belgischen Kolonialministeriums“, Berlin 1916, S.“