Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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bedauern, daß das Gesetz den Behörden keine ausreichenden Hand- 
haben gegen diese Gefahren gibt. | 
Es ist richtig, daß ein Kranker mit Lungen- und Kehlkopftuber- 
kulose so lange keine Gefahr für seine Umgebung darstellt, als die 
durch die Tuberkelbazillen entstehenden Neubildungen in Lunge und 
Kehlkopf noch nicht zerfallen, also noch keine Tuberkelbazillen mit 
dem Auswurf an die Außenwelt gelangen. Der Kranke kann auch 
dann, wenn schon tuberkelbazillenhaltiger Schleim ausgeworfen wird, 
noch verhältnismäßig ungefährlich für seine Umgebung sein, wenn 
er seinen Auswurf vorsichtig beseitigt. Wenn aber der Auswurf 
reichlicher wird, die Kräfte des Kranken nachlassen, Fieber, Schweiße 
und Kräfteverfall sich einstellen, dann hört der Kranke auf, vorsich- 
tig zu sein, beschmutzt sich und seine Wäsche und Effekten mit 
Krankheitskeimen und wird zu einer Quelle der Übertragung für 
seine Umgebung. Die zahllosen Fälle, in denen Tuberkulöse Familien- 
mitglieder anstecken, oder gesunde Personen in einer Wohnung, welche 
vorher von einem Schwindsüchtigen bewohnt gewesen war, selbst der 
Schwindsucht verfallen, führen eine beredte Sprache. Wenn man 
demgegenüber die Erziehung der Bevölkerung für genügend hält, um 
die Gefahren zu verhüten, so befindet man sich im Irrtum. Jeder 
erfahrene Arzt hat mehr als einmal selbst in gebildeten Familien 
tauben Ohren gepredigt, wenn er auf die Gefahren hinwies, welche 
ein Schwindsüchtiger für seine Umgebung darstellt. Ohne polizeilichen 
Zwang kommt man nicht aus; und nicht eher wird man der Geißel 
‚des Menschengeschlechtes Herr werden, ehe nicht in allen Staaten die 
Anzeigepflicht für Erkrankungen an Lungen- und Kehlkopftuberkulose 
eingeführt ist. 
Von den übrigen Formen der Tuberkulose drohen geringere Ge- 
fahren. Die Drüsen-, die Knochen- und die Gelenktuberkulose sind für 
die Umgebung des Kranken so gut wie ungefährlich; Darmtuberkulose 
kommt selten primär vor und ist meist eine Begleiterscheinung vor- 
geschrittener Lungentuberkulose; primäre Nierentuberkulose ist zwar 
leider nicht selten, aber für die Verbreitung der Tuberkulose ist der 
Harn weniger geeignet als der Lungenauswurf, welcher häufiger und 
in kleineren Mengen entleert und leichter in der Umgebung des 
Kranken verschmiert wird als der Harn. 
Darm- und Nierentuberkulose treten daher in sanitätspolizeilicher 
Beziehung in den Hintergrund; ein wirksamer Kampf gegen die 
Tuberkulose ist schon möglich, wenn nur die Einführung der Anzeige- 
pflicht für vorgeschrittene Erkrankungen, und zwar bei diesen auch 
bei dem Wechsel der Wohnung, sowie für Todesfälle an Lungen- und 
Kehlkopftuberkulose erreicht wird. 
Schmedding bemerkt zutreffend: 
„Was die vorhin schon genannte Tuberkulose anbelangt, so sollte
	        
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