408 Börsenpreis.
ROHGG., VI. 375, XII. 8339). Sofern nicht Verbotsgesetze (leges absolutae) vor-
liegen, kann durch Geschäftsgebräuche das Landesgesetz und namentlich das HGB.
abgeändert werden, wie dies z. B. hinsichtlich des Rücktrittsrechts bei Säumniß
des Verkäufers oder Käufers vielfach geschehen ist (Keyßner, HGB. zu Art. 355,
Nr. 5, Ztschrft. f. d. g. H. R. XXI. 271, XXIV. 253, Entsch. des ROHG., XX.
223 ff.). Die in den Art. 328—330 des HGB. bestimmte Zeitberechnung kann,
soweit sie die Liquidation von B. betrifft, durch Börsenordnungen erfolgen (v. Hahn,
Kommentar zum HGB. zu Art. 331). Zur Sicherung des Verkehrs ist von den
Kaufleuten an den größeren Börsenplätzen dafür gesorgt, daß die Geschäftsgebräuche
urkundlich festgestellt werden; dieselben gelten alsdann in dieser Form als Vertrags-
inhalt. Eine reiche Sammlung solcher Geschäftsgebräuche, Usancen findet sich in
der Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht von Goldschmidt u. A. (vgl. die Register
s. v. Geschäftsgebrauch, Usancen); von Bedeutung sind namentlich die seit 1. Jan.
1879 für Geschäfte an der Berliner Fondsbörse in Kraft stehenden Bedingungen
(Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht, XXIV. 538); ferner Bedingungen für den Handel
in Effekten, Devisen und Kontanten an der Wiener Börse seit 1. Juli 1876 in
Kraft (Beilageheft zur Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht, XXIII. 294), die Schluß-
scheine der Berliner Produktenbörse (Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht, XVII. 174 ff.,
XVIII. 517 ff.), für die schiedsgerichtliche Entscheidung der Streitigkeiten aus B.
ist an den meisten Börsen Sorge getragen und für die Anbringung der Klage eine
Ausschlußfrist verabredet (Entsch. d. RO „G., XII. 204; Heydemann, Einl. in
das System des Preuß. Civ. R., Bd. II. S. 204). Die Abwicklung der für einen
bestimmten Erfüllungszeitpunkt an den Effektenbörsen geschlossenen Geschäfte erfolgt
im Wege der Skontration (s. diesen Art.) durch besondere Vereinigungen an den
Börsen, z. B. in Berlin durch den Liquidationsverein (Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht,
XIV. 468, XVIII. 511), in Wien nach der Arrangements-Ordn. v. 29. Mai 1876
(Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht, XXIV., Beilageheft S. 307). Ueber die einzelnen
B., wie Differenzgeschäft, Prämiengeschäft, Stellgeschäft, Nachgeschäft, Reportgeschäft
vgl. die einzelnen Sonderartikel. Keyßner.
Börsenpreis ist der an der Börse (s. diesen Art.) zu gewisser Zeit für
Waaren einer bestimmten Art erzielte mittlere (laufende) Preis. Insofern die
Börse den Markt für die betreffende Waare bildet, ist der B. eine Unterart des
Marktpreises. In der Regel bestehen für die Feststellung des B. örtliche
Einrichtungen, z. B. die Kursnotirung unter Mitwirkung der Mäkler (s. diesen Art.).
Wo dies der Fall, ist der so notirte Preis wenigstens zunächst (prima facie), vor-
behältlich des Gegenbeweises, maßgebend. Indessen ist das Bestehen eines B. von
dem Vorhandensein solcher Einrichtungen nicht abhängig. Der B. ersetzt nicht nur,
sei es bei ausdrücklicher Bezugnahme oder ohne solche, die Bestimmung des Preises
bei Kaufverträgen des Handelsverkehrs, sondern ist auch in manchen anderen Be-
ziehungen von erheblicher rechtlicher Bedeutung. So ist nach dem A. Deutschen
HGB. der Umstand, daß die Waare einen B. oder Marktpreis hat, Voraussetzung
der Befugniß, eine Veräußerung, welche sonst öffentlich vorgenommen werden müßte,
auch aus freier Hand zu bewirken. Ebenso nach dem Bankgesetz im Lombardverkehr
der Reichsbank. Auch nach der CPO. sind gepfändete Werthpapiere, wenn sie einen
B. oder Marktpreis haben, aus freier Hand zum Tageskurse zu verkaufen, sonst zu
versteigern. Häufig wird ferner gesetzlich der B. der Berechnung des Schadens zu
Grunde gelegt. Bei Fixgeschäften ist das Vorhandensein eines B. von wesentlichem
Einfluß auf das bei Nichterfüllung eintretende Wahlrecht, insonderheit im Falle des
Konkurses. Beim Kommissionsgeschäft (s. diesen Art.) endlich ist das Recht
des Kommissionärs zum Eintritt als Selbstkontrahent von dem Vorhandensein eines
B. oder Marktpreises abhängig. — Besteht an dem entscheidenden Orte kein B.,
so kann doch der eines anderen Ortes in Betracht kommen, nämlich wenn dieser