296 Nord-Ameriks. (Dez. Ende.) — Mittel= und Süd-Anerika. (Jan. 10.)
Ende Dezember. Schatzbericht.
Der Bericht des Schatzsekretärs Carlisle über das am 30. Juni ab-
gelaufene Finanzjahr in den Vereinigten Staaten weist ein Defizit ven
25 203 240 Doll. auf, obwohl die Eingänge durch die Bondsverkäufe un
111 170 376 Doll. gestiegen sind. Die bisherigen Einnahmen des laufenden
Finanzjahres weisen im Vergleich zu demselben Zeitraum des Vorjahres
eine Zunahme von 19102 205 Doll. auf. Das Defizit des laufenden Finanz-
jahres wird, falls die bestehenden Gesetze ihre Gültigkeit behalten, aller-
dings auf 64500 000 Dollars geschätzt, Carlisle ist jedoch der Ansicht, daß,
wenn die regelmäßige Geschäftsthätigkeit wieder ausgenommen wird und der
Verbrauch von Gegenständen, die der Besteuerung unterliegen, wieder in
normaler Weise anwachsen sollte, überhaupt kein Defizit entstehen werde.
Carlisle tritt sodann nachdrücklich für die Einziehung der Bundes= und der
Schatzamts-Noten ein. Was man jetzt am meisten brauche, seien nicht weitere
Steuern, sondern größere Sparsamkeit bei den Staatsausgaben. Carlisle
schließt mit einem Hinweis auf das gewaltige Anwachsen der Ausfuhr und
der Industrie seit dem Jahre 1892 als Beweis dafür, daß man der Schutz-
zölle zur Ermutigung des Kapitals und zum Schutze der Arbeit nicht
edürfe.
XX.
Mittel- und Süd-Amerika.
Anf. Januar. Venezuela, England und Nord-Amerika.
Der Präsident von Venezuela erläßt eine Bekanntmachung, worin
dem Präsidenten Cleveland für sein Vorgehen in der Grenzfrage gedankt
wird. Der Aufruf spricht die Aufforderung aus, daß die Venezolaner den
englischen Eindringlingen gegenüber einmütigen Widerstand leisten werden,
rät aber Ruhe an, solange das Vorgehen der Vereinigten Staaten noch
nicht beendet sei. Allen Bürgern von 18 bis 58 Jahren wird die Ein-
musterung in die Miliz befohlen.
Januar. Februar. Aufstand in Ecuador.
20. Januar. (Cuba.) Abreise von Martinez Campos. Ankunft
Weylers 8. Februar (vgl. S. 182).
Januar. (Chile.) Protest gegen die Erweiterung der Mon-
roelehre auf Süd-Amerika.
Der „Chileno" in Valparaiso schreibt: „Wir Spanisch-Amerikaner
haben nichts gemein mit dem Volke der Vereinigten Staaten. Wir sind
von dessen Denkweise weiter entfernt, als von der irgend einer europäischen
Nation. Spanien gab uns seine Rasse, sei 2e Sprache und seine Gesittung.
Frankreich hat uns ein Jahrhundert ernährt in Kunst und Litteratur.
England hat uns Handel, Industrie, Eisenbahnen und Dampfschiffe besorgt.
Deutschland hat uns Schulmeister, Offiziere und eine uns hochnützliche
Einwanderung geschickt. Es würde eine Gefahr für alle amerikanischen
Länder sein, den Vereinigten Staaten zu erlauben, sich als absoluten Schieds-