Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

V. 
Großbritannien. 
Anfang Januar. Die Presse über die Depesche des Deutschen 
Kaisers an Präsident Krüger (vgl. S. 1 und 1895 S. 321). 
„Morning Post“: Der Keiser sei nicht gewohnt, seine Worte ab- 
zuschwächen, aber er sage immer, was er wirklich denke. Die wirkliche 
Antwort auf das Telegramm Kaiser Wilhelms würde die Zurückberufung 
des Geschwaders im mittelländischen Meere und deren Vereinigung mit 
den Schiffen im Kanal sein. Es wäre sehr schwer, mit Kaltblütigkeit von 
der Kaiserdepesche zu sprechen. Die englische Nation werde sie nicht ver- 
gessen; sie werde immer daran denken für die Zukunft bei der Richtung 
ihrer auswärtigen Angelegenheiten. 
„Daily Telegraph“: Die Depesche des Kaisers überschreite die 
Grenzen der loyalen Diplomatie und erreiche beinahe eine internationale 
Beleidigung. Wenn es von einer weniger befreundeten und weniger hohen 
Stelle käme, so würde jeder Satz dieses Telegramms nicht nur Widerspruch, 
sondern auch Zorn erwecken. Der Kaiser habe die Grenze überschritten, 
welche die guten Beziehungen ihm erlauben. 
„Standard“: Dieser Schritt sei eine auffallend unfreundliche Hand- 
lung, da Transvaal kein unabhängiger Staat sei. Das Telegramm des 
Kaisers gebe ein schlimmes Beispiel; obgleich das Telegramm sehr vor- 
sichtig abgefaßt sei, würde es doch dem internationalen Brauch mehr ent- 
sprochen haben, wenn der Kaiser nichts gesagt hätte. 
Die Oppositionsblätter wie „Daily News", „Daily Chronicle“, 
„St. James Gazette“ äußern sich weit milder und stimmen der Re- 
gierungspolitik in Südafrika nicht zu. Die liberale Wochenschrift der 
„Speaker“ schreibt: „Die sogenannte Gesellschaft steht fast einstimmig auf 
Seite der geldgierigen Abenteurer, welche das Transvaal in derselben Weise 
auszubeuten versuchten, wie die Spanier vor 300 Jahren Mittel= und Süd- 
amerika ausbeuteten. Der Straßenpöbel und die Tingeltangel sind diesmal 
einig mit der „Gesellschaft". Die Presse, selbst leider auch die liberale, ist 
zum großen Teile in den Händen des Mr. Rhodes und seiner Genossen. 
Gegen diese mächtigen Feinde müssen wir ankämpffen 
Wenn man sieht, wie sich das Netz der britischen südafrikanischen Gesell- 
schaft täglich weiter ausbreitet und Beute einfängt, so werden wahre Li- 
berale um so entschlossener werden, dafür zu sorgen, daß in dieser Angelegen- 
heit wenigstens der Name Englands vor der Welt rein dastehen soll, wie
	        
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