Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

II. Arten der Rechtsnormen im besonderen. Reichsrecht. 830. 95 
rechtes; allein man berücksichtigt dabei doch, daß die ein- 
zelnen Gliedstaaten ihre Sondereigentümlichkeiten haben, die ın 
der Art der Bevölkerung, ihrer Abkunft, ihrer Beschäftigung, 
und vor allem in ihrer geschichtlichen Entwicklung begründet 
sind. Dazu komnit, daß das bürgerliche Recht oft mehr oder 
minder mit dem öffentlichen Rechte zusammenhängt und daß 
das Gebiet des öffentlichen Rechtes großenteils der Kultur- 
mission der einzelnen Gliedstaaten überlassen bleibt. Das 
soll ja eben gerade der Vorzug des Bundesstaats sein, 
daß er zwar durch einheitliche Ordnungen die Zusammen- 
schmelzung der einzelnen Bevölkerungsschichten befördert und 
auf solche Weise der Kulturentwicklung eine größere Trag- 
weite und der geistigen Kraft des Menschen einen stärkeren 
Widerhall gibt, daß er aber auf der andern Seite es auch 
ermöglicht, daß die Mannigfaltigkeit, der traute Sinn für das 
Heimische und der innige Zusammenhalt in kleineren Kreisen 
nicht aufgegeben wird; sodaß hier immerhin noch Sonder- 
bestrebungen herrschen, die dann wiederum die Gesamt- 
bestrebungen befruchten sollen. 
Daher ist es dem Bundesstaat eigen, daß in weiteren 
Gebieten neben dem Bundesrecht besonderes Juandesrecht 
besteht. 
III. Was nun das Bürgerliche Gesetzbuch betrifft, so soll 
es im großen ganzen das bürgerliche Recht des deutschen 
Reiches einheitlich regeln und zwar soll hier eine Rechts- 
einheit in ganz anderem Sinne als im öffentlichen Rechte 
begründet sein. Man hat hierbei erwogen, daß gerade durch 
die Einheit des Privatrechtes eine Einheit des Denkens 
in Angelegenheiten des täglichen Verkehrs eintritt und daß 
hierdurch wesentlich die Interessenausgleichung und zu 
gleicher Zeit die Sicherheit des Verkehrs gefördert wird; 
denn je einheitlicher das Recht, desto weniger Kollisionen 
und weniger Kollisionsfragen. Nicht alle Bundesstaaten sind 
zu diesem Ziel gelangt: in den Vereinigten Staaten ist der 
größte Teil des Privatrechtes den Einzelgliedern überlassen, 
und die Schweiz ist erst am Vorabend eines einheitlichen 
Bürgerlichen Gesetzbuches. In Deutschland haben wir es 
errungen: das bürgerliche Recht ist größtenteils vom Reichs- 
gesetz umfaßt, so sehr, daß, wenn daneben noch Landesrecht
	        
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