Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

II. Arten der Rechtsnormen im besonderen. Privilegien. 88 35,86. 117 
sich in Verträgen diesem Brauch ausdrücklich unterwirft; 
diese Unterwerfung kann aber auch eine stillschweigende sein, 
und die Annalıme ist gerechtfertigt, daß, wer in bestimmten 
Kreisen Verträge abschließt, damit erklärt, daß er sich diesem 
Brauche fügt, so z. B. bei Verträgen des Handelsrechtes, so 
auch bei Mietverträgen, die an einem Orte gewöhnlich nach 
gewissem Schema abgeschlossen werden; und besondere Ver- 
tragsgebräuche entwickeln sich namentlich auf den Märkten 
und auf der Börse. Wenn in solchem Falle der einzelne 
einen Vertrag schließen will, ohne sich diesen Gebräuchen 
zu unterwerfen, so erwartet man von ihm, daß er dies 
ausdrücklich besagt; tut er dies nicht, so täuscht er die 
Erwartung, die man von einem jeden normalen Menschen 
hegen kann, der in die betreffenden Kreise tritt und der die 
Einrichtungen des Rechts in ihrem Sinne und nicht zur arglistigen 
Hintergehung anderer gebrauchen soll. Das ist es, was in 
8 157 B.G.B. gesagt ist, daß Verträge so auszulegen sind, 
wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte 
es erfordern; das will heißen: wer einen Vertrag schließt, er- 
klärt damit, daß er sich all dem unterwirft, was in solchen 
Verhältnissen Brauch und Sitte ist, soweit es der andere Teil 
von einem ehrenhaften Menschen annehmen kann, da ein 
solcher, wenn er sich dem Brauch nicht unterwerfen will, es 
ausdrücklich besagt, nicht aber die Verkehrserwartung durch 
hinterhaltige Auffassung seines Tuns hintergeht. Das Gleiche 
ist auch im Handelsgesetzbuch, $ 346, in bezug auf den 
Handelsgebrauch ausgesprochen. 
B. Besondere Rechtsnormen. 
Frivilegien. 
S 36. 
I. Eine besondere Art der Äußerungen der Rechtsordnung 
ist die Bildung von Privilegien.) Das Privileg ist die 
Schöpfung eines individuellen Rechtes durch gesetzgeberische 
Gewalt. Während die Rechtsordnung sonst allgemein 
N) Vgl. hierüber Kohler-Liesegang, Beiträge zur Geschichte des 
Römischen Rechts in Deutschland I S. 1384f. Stammler, Privilegien 
and Vorrechte (1903) konnte nieht mehr benutzt werden.
	        
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