Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

3. Anspruchsmöglichkeit. 8 63. 187 
welche den Anspruch hervorruft, in der naturgemäßen Ent- 
wieklung der Sache liegt und nicht als ein wirtschaftliches 
oder seelisches Opfer des Gläubigers erscheint; dies wird im 
Bürgerlichen Gesetzbuch in unseren zwei ersten Fällen aus- 
gesprochen, also 
1. im Fall der Kündigung, 
2. im Fall der vermögensrechtlichen Anfechtung und 
der aus ihr hervorgehenden Ansprüche: in diesen Fällen hat 
das Bürgerliche Gesetzbuch eine Gleichstellung von Anspruch 
und Anspruchsmöglichkeit in der Verjährungslehre durchge- 
führt, 88 199, 200; mit Recht, weil der Zweck des Institutes, 
eine möglichst baldige Lösung des Schuldverhältnisses herbei- 
zuführen, nicht erreicht würde, wenn hier, im Falle der An- 
spruchsmöglichkeit, der Anspruch abgewartet werden müßte. 
Ist die Kündigung eine befristete, so muß noch die Frist 
verstrichen sein: es ist dann, wie wenn im ersten Augenblick 
der möglichen Kündigung die Kündigung wirklich geschehen 
wäre. Die frühere Theorie fand sich hier nicht zurecht und 
kam vielfach zu ganz lebenswidrigen Entscheidungen. 
Diesen Fällen müssen die Fälle 3. gleichstehen, in denen 
es ebenfalls nur einer Erklärung bedarf, um den Anspruch 
zu erzeugen; so wenn der Gläubiger statt der Zahlung 
Hinterlegung begehrt (88 432, 660, 1077, 1281, 2039, 2114, 
vgl. auch 1046 und oben S. 186); so wenn nach Kraftlos- 
erklärung der Schuldverschreibung der ehemalige Inhaber eine 
neue Schuldverschreibung verlangt ($ 800), so wenn es sich 
um Quittungen, Beurkundungen handelt usw. In allen diesen 
Fällen muß die Verjährung bereits mit dem Augenblick be- 
ginnen, wo solches Begehren geäußert werden kann. 
Anders in den Fällen 4. und 5., wo es dem Gläubiger 
ein wirtschaftliches oder seelisches Opfer kostet, um den 
Anspruchsfall herbeizuführen, und dem steht die familien- 
rechtliche Anfechtung gleich, denn sie greift oftmals tief in 
die innigsten Lebensverhältnisse ein. 
Dalier beginnt bei einer familienrechtlichen Anfechtung 
die Verjährung der daraus hervorgehenden Vermögensan- 
sprüche erst mit der Anfechtung (8 200); die Verjährung 
der aus dem Schenkungswiderruf hervorgehenden Ansprüche 
beginnt erst mit dem Widerruf; die Verjährung des An-
	        
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