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allerdings recht kleinliche Terminologie, ein pedantisches
Bestreben nach äußerlicher Sauberkeit und Genauigkeit in
der Form, eine Peinlichkeit in der Formulierung, ein oft un-
erträglicher Doktrinarismus im Ausdruck der Rechtsgedanken
und eine geradezu verblüffende Bevormundung des Publikums
und des Richters durch eine ermüdende Gestalt der Sätze,
welche bestrebt sind, auch dem niedrigsten Geiste die Balın
zu weisen und auch die seltsamsten Mißverständnisse und Irr-
tümer zum voraus unmöglich zu machen; ein Doktrinarismus,
der gerade statt Klarheit Unklarheit und Zweifel verbreitet.
Damit müssen wir rechnen. Die Aufgabe der Wissenschaft
ist, das Gesetzbuch frei zu gestalten und den in ihm ent-
haltenen Inhalt aus dem oft höchst unpraktischen und un-
geschickten Gefäße des Ausdrucks herauszugießen und
unserem freien Gebrauch zu unterwerfen; darin werden wir
uns in keiner Weise beschränken lassen. Die hohen Ideen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind für uns leitend: in ihnen
herrscht dieGenialität der deutschen Wissenschaft; diePedanterie
der Redaktoren ist eine verfehlte Zutat, mit der die Wissen-
schaft bald fertig werden muß. Die im Gesetze enthaltene
Wissenschaft wird bleiben, wenn auch die Zutat der Redaktoren
längst veraltet ist.
In diesem Geiste ist auch das nachfolgende Lehrbuch
gehalten. Das Bürgerliche Gesetzbuch darf nicht auf Jahr-
zehnte lang ein Hemmnis freier Wissenschaft und freier weit-
schauender Rechtsprechung sein, wie es seinerzeit das
Preußische Landrecht — infolge verfehlter Methode der Be-
handlung — jahrelang gewesen ist.!)
t) Von früheren Lehrbüchern nenne ich Dernburg, Das bürger-
liche Recht des deutschen Reichs und Preußens (bis auf das Erbrecht
erschienen); Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts (Bd. I
und II Allgem. Teil und Schuldverhältnisse erschienen); Enneccerus
und Lehmann, Das bürgerliche Recht (2. Aufl); Endemann, Lehrbuch
des bürgerlichen Rechts (von der 8. und 9. Auflage der I. Band erschienen);
Leonhard, Der allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs.