I. Buch.
Rechtsordnung.
I. Abschnitt.
Stellung der Rechtsordnung unter den Kulturmächten.
1. Begriff der Rechtsordnung.
8.2.
I. Die Rechtsordnung ist die geschichtlich gegebene
Regelung des menschlichen Verkehrs in bezug auf Lebensgüter
und Lebenspflichten. Sie ist also eine Regelung, mithin eine der
Willkür Schranken setzende Ordnung, darauf beruhend, daß
erstens der Mensch ein soziales Wesen ist, welches sich nur in
der Gemeinschaft entwickeln kann und sich darum gesellschaft-
lich weiter bildet, und zweitens darauf, daß, sobald die Mensch-
heit eine bestimmte Höhe der Kultur erreicht hat, Sitte und
Recht unterschieden wird. Denn während die Sitte sich zwar
auch dem einzelnen auferlegt, weil jeder, der ihr nicht folgt
und nicht mit dem Strom schwimmt, als Sonderling erscheint und
da oder dort Anstoß erregen wird, so ist doch die Befolgung
der Sitte nicht als ein gesellschaftliches Soll gedacht und
wer ihr nicht entspricht, den hat der Staat nicht das Recht
zu verfolgen. Diesen Unterschied wissen viele Leute, denen
der gute alte Brauch alles ist, nicht zu verstehen; und doch,
erst wenn festgestellt ist, inwiefern jemand der Sitte trotzen
kann, ohne sich mit dem Recht in Widerspruch zu setzen,
erst dann ist die Persönlichkeit gewahrt, und der Mensch
hört auf, ein Knecht der sozialen Verhältnisse zu sein.?)
II. Die Rechtsordnung ist eine Regelung des menschlichen
Verkehrs, sie setzt also notwendig Menschen voraus und zwar
nicht nur einen, sondern mehrere, denn nur so ist ein menschlicher
Verkehr möglich. Wäre beispielsweise ein einzelner allein auf
diesem Planeten, so könnte es kein Recht geben, ebenso wenn
1) Vgl. auch Einführung in die Rechtswiss. S. 2,