Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

278 III. Buch. A. Rechtssubjekt. 
3. Verkehrsstellung. 
a) Rechtsverkehr. 
a) Geschäftsfähigkeit. 
8 106. 
I. Die Geschäftsfähigkeit ist die Befähigung zum Verkehr 
durch Rechtshandlungen (Rechtsgeschäfte).?) Sie kann sowohl 
bei leiblichen als auch bei juristischen Personen in Betracht 
kommen; sie unterliegt aber in beiden Fällen so verschiedenen 
Grundsätzen, daß eine gemeinsame Behandlung nur bis zu 
einer bestimmten Grenze tunlich ist und wir später in der 
Lehre von den leiblichen Personen darauf zurückkommen 
müssen. 
II. Das Gegenteil der Geschäftsfähigkeit ist die Geschäfts- 
unfähigkeit. Der Geschäftsunfähige ist für Rechtshandlungen 
aller Art eine Null,”) ohne Rücksicht darauf, ob die Rechts- 
handlungen zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten sind: 
daher ist auch eine Handlung nichtig, die ihm nur Vorteil ge- 
währen kann; der Grund der Unfähigkeit liegt nicht in der dem 
Unfähigen aus dem Geschäftsleben entstehenden Gefahr, vor der 
man ilın behüten will, sondern in dem Vernunftmangel: Un- 
vernünftiges soll am Rechtsverkehr nicht teilnelimen. Ebenso 
wenig kann er in der Passivität Rechtsfolgen erzeugen, wenn 
z.B. ein Dritter Rechtshandlungen ihm gegenüber vollzieht. So 
was die Rechtsordnung betrifft, 88 105,131 B.G.B. In der Besitz- 
ordnung allerdings ist er nicht völlig bedeutungslos; denn auch 
er ist ein Mitglied der allgemeinen Friedensordnung, und es 
können in seiner Person Umstände eintreten, welche die Friedens- 
ordnung beeinflussen: er kann Besitz erlangen und Besitz ver- 
lieren, und ebenso kann sein Wirken sonst bedeutsam sein, 
t) Speziell Rechtshandlungen des bürgerlichen Rechts. Auf andere 
Rechtshandlungen können die Bestimmungen des B.G.B.’s nur rechtsähnlich 
angewendet werden. Über den Strafantrag vel. $ 65 R.St.G.B., über den 
Strafantrag eines wegen '[runksucht Entmündigten vgl. R.G., Jurist.2. 
1903, S. 250. Über Beeidigung vgl. $ 393 C.P.O., $ 56 Z. 1 St.P.O. 
2) Daher haben bei Rechtshandlungen der freiwilligen Gerichts- 
barkeit die Beamten und Behörden zu prüfen, ob nicht Geschäftsunfähig- 
keit vorliegt; so insbesondere auch das Grundbuchamt, O.L.G. Bayern 
vom 13. Februar 1903 Recht VII S. 131.
	        
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