Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

I. B. Zwischenstaatliches Privatrecht. $ 11. 41 
sie sich im Inlande fort, dann erklären wir, ihr keine Hülte 
leisten zu wollen. Daraus ergibt sich von selber, daß, wenn 
jemand im Auslande durch einen Sklaven Eigentum erworben 
hat, wir dieses Eigentum auch bei uns anerkennen, da das 
Eigentum eine vollgültige sittliche Einrichtung ist und die aus- 
ländische Art des Erwerbs uns nicht weiter angeht. Wir 
würden daher eine „Vindikation“ selbst dann gestatten, wenn 
der Sklave mit dem Eigentumsstücke im Inland wäre: wir 
würden selbst hier dem Herrn erlauben, ihm durch die deutschen 
Gerichte die Sache abzunehmen; denn er ist Eigentümer der 
Sache, und die Erwerbsart kommt nicht weiter in Betracht. Und 
ebenso wäre es, wenn jemand aus seiner gesetzlichen Vielehe 
in einem Islam-Staate Kinder hätte: er könnte die Kinder auch 
im Inlande als die seinigen in Anspruch nehmen. Ganz 
anders verhielte es sich, wenn aus dem unerlaubten Verhältnis 
erst ein obligatorischer Anspruch sich ergibt, z.B. ein An- 
spruch aus einem Spielgeschäft; ist dieser Anspruch nicht 
erledigt, sondern erst klageweise zur Geltung zu bringen, 
dann kann das Inland dem ausländischen Gesetze keine 
Gefolgdienste leisten: wir dürfen nicht dazu beitragen, daß 
Spielschulden eingetrieben werden. 
b) Die Frage kann daher nur die sein, wann ein Rechts- 
verhältnis einen solchen Widerspruch mit unserer Rechts- und 
Sittenordnung aufweist. Dies ist natürlich nicht schon dann 
der Fall, wenn wir unser Recht für vorzüglicher halten als 
das ausländische; denn das würde zu einem ständigen 
Hereinbrechen des inländischen Rechtes Anlaß geben; es muß 
vielmehr der Widerstand der inländischen Rechtsanschauung 
so groß sein, daß es uns als eine Unsittlichkeit oder als eine 
Staatswidrigkeit erscheinen müßte, wenn unsere Gerichte 
irgendwie diese Bestrebungen wnteıstützten. So ist es 
beispielsweise, wenn eine Ehe nach Belieben des einen Ehe- 
gatten geschieden werden Könnte, wenn Wucher- oder Spiel- 
geschäfte klagbar wären, wenn ein Dienstvertrag auf J,ebens- 
zeit verpüichtete, wenn die Konkurrenzklausel bedingungslos 
bände, wenn ein Ehegatte bei der Gütergemeinschaft dem 
anderen in der Art unterworfen wäre, daß er selbst unter 
den drückendsten Umständen nicht das Recht hätte, irgend 
eine Lösung oder Lockerung des Verhältnisses zu begehren.
	        
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