Vorwort. XI
Bildungen, die eine frühere Zeit versuchte. Doch dies hätte
den Raum verdoppelt, auch den Fluß der dogmatischen Dar-
stellung unterbrochen. Ich mußte diese Arbeit einer anderen
Gelegenheit überlassen, und aus demselben Grunde mußte ich
auch für jetzt meine Lieblingsidee aufgeben, eine vergleichende
Darstellung des deutschen mit dem englischen und romanischen
Rechte zu geben. — — —
Heute, wo mich die herrlichen blauen Wogen des Atlan-
tischen Ozeans der neuen Welt entgegentragen, um dort die
wissenschaftlichen Geister eines anderen großen Volkes zu
begrüßen, eines Volkes von überschäumender Lebenskraft, von
gewaltiger Zukunft und übergroßem Werdedrange, eine Welt
der unbegrenzten Hofinungen und der großartigsten Impulse,
erfaßt mich ein mächtiger Zweifel, ob wir im Bürgerlichen
Gesetzbuch nicht ein Symptom altersgrauen alexandrinischen
ausgetüftelten Wesens zu erblicken haben, ein Werk der Spät-
zeit der Entwicklung, ein Werk einer Periode, die ein Gehen
und Vergehen, aber keine Zukunft mehr kennt, einer Periode,
die in ausgeklügelter kleinlich schwerfälliger Weise eine Ent-
wicklung abschließt, von der aus kein Fortschritt und keine
Weiterbildung mehr möglich ist; denn das ist das Zeichen des
Alterns, daß man in übergroßer peinlicher Sorge alle Fragen
lösen, alle Rätsel ein für allemal begraben will.
Indes ich habe den lebendigen Glauben: die Form des
Gesetzbuchs ist zwar die ausgeklügelte Form eines alexan-
drinischen Werkes, der Inhalt aber zeugt von der ewigen
Jugendlichkeit der deutschen Nation, von der Jugend-
lichkeit, die bleibt, solange die deutsche Zunge erklingt; und
trotz aller Form wird das Gesetzbuch nicht abschließen,
sondern neuen Entwicklungen Raum geben.