18 4. Das Land im Dämmerlichte der Geschichte.
Gräberfunde aus diesem letzten Abschnitt der La Tenezeit sind bisher
wenige bekannt. Diese schließen sich mit ihrem Inventar vollkommen an
die Wohnstättenfunde an. Auch hier kommen massive Gürtelbeschläge mit
Blutemail, auf der Drehscheibe geformte Gefäße, Fibeln von Eisen und Bronze,
blaue Glasperlen, Armreife und Fingerringe von Bronzedraht vor.
Alle diese Funde werfen zusammen ein helles Licht auf die Kulturstufe der
Vindeliker und Noriker in unserem Lande, die sicher seit dem 3. vorchristlichen
Jahrhundert, vielleicht schon früher hier saßen. Die Überreste dieser Bewohner
beweisen, daß ihre Kultur schon eine hohe Rangordnung einnahm und sich
von der späteren provinzialrömischen, auf die sich vieles von ihr fortpflanzte,
nicht bedeutend unterschied, daß es also durchaus nicht die Römer waren, die
hier erst die Kultur ins Land brachten.
Diese Überreste ergänzen und erläutern auch, was die antiken Schrift-
steller über die gallisch-keltischen Stämme berichten. Schon Cäsar erwähnt
die soziale Gliederung des Volkes in drei Klassen, in Priester, Ritter und das
Arbeitsvolk. In den Gräbern von Manching u. a. O. haben wir ohne Zweifel
den Ritterstand, den Adel des Stammes vor uns, darauf deuten die Reiter-
waffen und die kriegerische Ausrüstung. Die in La Tene-Wohnstätten gefun-
denen Eisenschlacken deuten auf die ebenfalls aus den Schriftstellern bekannte
Geschicklichkeit des Volkes in der Bearbeitung des Eisens. Auch die in Südbayern
in Wäldern und auf Heiden erhalten gebliebenen Hochäcker sind aller Wahr-
scheinlichkeit nach auf dieses Volk zurückzuführen. Sie setzen einen Großgrund-
besitz und ein höriges Arbeitervolk voraus, wie es Cäsar bei den Galliern schildert.
Ülber den Götterkult sind wir durch die römischen Schriftsteller und die
erhalten gebliebenen Altarsteine aus römischer Zeit einigermaßen unterrichtet,
da die Römer diese Gottheiten unter die ihrigen aufnahmen. Es kommen
Lokalgottheiten wie Bedaius, Grannus, die Alounge u. a. auf Inschriften
vor; es wurden also schon personifizierte Gottheiten verehrt. Handel und
Verkehr sind durch die Funde der Münzen wie durch solche von Roheisen-
barren, Bernstein, Glasperlen und Bronzegefäße nachgewiesen. Sicher waren
auch Straßenzüge vorhanden, die die Grundlage der späteren Römerstraßen
bildeten. Es ist kein Zufall, daß die späteren großen Heerstraßen von Süd
und Ost ursprünglich auf Kempten — Cambodunum — gerichtet waren und
erst später ihren Lauf nach Augsburg — Augusta Vindelicorum — erhielten;
ersteres war eben eine vindelikische Stadt, auf welche die alten Straßenzüge
zu liesen, während letzteres eine römische Neugründung war. Aus den Schrift-
stellern erfahren wir, daß die Kelten in Städten und Dörfern wohnten.
Tatsächlich haben sich in Vindelikien, und Norikum solche Ortsnamen in
der römischen Periode erhalten, wie Cambodunum, Abodiäcum (Epfach),
Iuvavum u. a., Orte, in denen überall vorrömische Funde zutage kamen,
ferner viele Namen von keltischen Orten, die ihrer Lage nach noch nicht sicher
bekannt sind, wie Damasia, Urusa, Artobriga u. a. Auch viele Fluß-