9. Der Sturz Tassilos. 37
als die beschworenen Verträge fortbestehen lassen, lieber sterben als ein solches
Leben führen.
Doch in seiner Bedrängnis, unmittelbar vor der hereinbrechenden Kata-
strophe ruft der Herzog durch eine Gesandtschaft noch einmal die pöäpstliche
Vermittelung an. Der Augenblick schien günstig gewählt; eben damals (787)
weilte Karl auf der Rückkehr vom Feldzug gegen Benevent neuerdings in
Rom. Wirklich schien der Papst anfänglich entgegenzukommen. Doch Karl
hintertrieb das päpstliche Friedenswerk. In Anwesenheit des Papstes verlangte
er von den Gesandten Ubernahme gewisser Verpflichtungen. Die Erklärung
der Gesandten, eine solche Bindung ginge über die ihnen erteilte Vollmacht
hinaus, gab dem Frankenkönig Gelegenheit den Bayernherzog als Störenfried
hinzustellen. Nunmehr erklärte sich der Papst entschieden für das Recht des
Frankenkönigs, ließ den Herzog Tassilo ermahnen dem König Karl und dem
Volke der Franken in allem gehorsam zu sein, damit es zu keinem Blut-
vergießen und zu keiner Verletzung seines Landes komme, bedrohte den Herzog.
mit dem Banne, wenn er die Pippin und Karl geschworenen Eide nicht halte,
und machte ihn verantwortlich für all das Unglück, das er damit über Bayern
bringe; Karl aber und seine Franken sollten in ihrem Gewissen von jeder
Schuld frei sein.
Nach der Rückkehr ins Frankenreich ordnete Karl eine Gesandtschaft an
Tassilo ab mit der Aufforderung dem Befehl des Papstes und seiner be-
schworenen Pflicht nachzukommen und sich vor dem König zu stellen. Tassilo,
der dem König nicht mehr traute, weigerte sich vor demselben zu erscheinen.
Als aber Karl von drei Seiten her, von Süden, Westen und Norden, den
fränkischen Heerbann gegen Bayern aufmarschieren ließ, als nicht bloß der
fränkisch gesinnte Teil des Klerus und die fränkisch gesinnten königlichen
Lehensleute gegen den Herzog Partei ergriffen, als die Drohung mit dem
päpstlichen Bann auch unter der übrigen Bevölkerung zu wirken begann,
suchte der Herzog noch einmal sein Heil in einer vollständigen Unter-
werfung unter den Frankenkönig. Am 3. Oktober 787 stellte er sich im Lager
Karls auf dem Lechfelde. Er mußte sich in allem schuldig bekennen und sein
Herzogtum als verwirkt dem Frankenkönig symbolisch (unter Überreichung
eines Stabes) auflassen. Als Lehen erhielt er es nach Erneuerung der früheren
Eide zurück. Fortan ist nicht bloß der Herzog Vasall, auch sein Herzogtum
ist ein Lehen des Frankenkönigs. Bereits tritt Karl in unmittelbare Verbin-
dung mit den Untertanen des Herzogs; das gesamte Volk der bayerischen
Lande muß dem Frankenkönig den Treueid leisten. Zugleich wurde dem
Herzog die Stellung weiterer zwölf Geiseln auferlegt, darunter des eigenen
Sohnes, den er bereits zum Mitregenten angenommen hatte. Das war im
Oktober des Jahres 787.
Im Sommer des folgenden Jahres fand ein Reichstag zu Ingelheim
statt. Wie die anderen königlichen Vasallen findet sich auch der Bayernherzog