Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

614 132. Auf Vorposten vor Paris. 
Es standen fest in heißer Schlacht Es honnte sich in größter Not 
Die Männer all aus Deutschlands Gauen, Ihr herrlich Wirken voll entfalten. 
Doch Großes haben auch vollbracht, Man sah sie, von Gefahr umdroht, 
Wie sie, die edlen deutschen Fraun. Gleich Engeln ihres Amtes walten. 
Wo mit dem Tod ein Krieger rang, Wenn oftmals schon verloren schien 
Daniederlag an schwerer Wunde, Des wackern Helden junges Leben, 
Da halfen sie und es erklang Hat ihre treue Pflege ihn 
Gar reicher Trost aus schönem Munde. Den Seinen noch zurüchgegeben. 
Drum, preiset ihr die große Zeit, 
Die Kämpen all aus deutschen Gauen, 
Ein voller Kranz sei auch geweiht 
Dem Opfermut der deutschen Frauen! 
132. Auf Vorposten vor Paris. 
Von Karl Stieler.) 
Folgen wir der Kompagnie, die heute Nacht den Vorpostendienst zu ver- 
sehen hat und lautlos durch die Dämmerung dahinzieht! 
Eine Grabesstille herrscht unter den Soldaten; in gebückter Stellung 
geht es weiter, an den Mauern entlang, zwischen den Gängen der Gärten und 
Häuser hin; immer näher kommen wir an den Feind; man kann die Mündung 
der Geschütze erkennen, die hinter den Schießscharten vorstarren, man kann 
das Weiße im Auge des Gegners sehen, wie der Soldatenausdruck lautet. 
Kaum 150 Schritte stehen sich die Vedetten gegenüber, hinter ihnen wartet 
das Feldpikett, das von den Trümmern einer zerstörten Villa gedeckt ist. Nur 
sachte — sachte! — Wie ein Mann sich bewegt, fällt drüben ein Schuß auf 
ihn. Und „drüben“ liegt Paris — Paris, die Magdalena dieses Jahrhunderts; 
sie, die einst im Jubel der Weltlust glänzte und jetzt in Sack und Asche da- 
niederliegt! Paris, das Medusenhaupt, vor dessen finstern Blicken Europa 
bebte, dem unter allen Völkern nur das deutsche Volk furchtlos in die Augen 
geschaut. Fürwahr, es ist ein Vulkan an Kraft und ein Ozean an Stürmen, 
dies stolze Paris, und heute stehen die deutschen Heere zum dritten Male auf 
seiner Erde und pochen an seine Pforten. 
So glühen wohl die Gedanken, wenn man draußen steht auf dem ein- 
samen Posten, wenn Auge und Ohr hinüberspäht. 
Alles ist still in weiter Runde — man hört das Getöse und das Ge- 
woge der Weltstadt, wie man auf Meilen hin die Wogen des Meeres hört, 
die ans Ufer branden; man hört die Glocken läuten und die Arbeit dröhnen 
in all den langen Straßen, man atmet die Seufzer der sterbenden Magdalena. 
So stehen wir auf unserem Posten die lange, bange Nacht, eigentlich recht 
allein und verlassen, — aber auch die Weltstadt ist allein; und was ist Ein- 
1) „Durch Krieg zum Frieden“. S. 142 ff. Stuttgart 1886, Bonz.
	        
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