135. Die feierliche Verkündigung des deutschen Kaiserreichs. 623
brausenden Donner hervor, als ob jenes Wort des Großherzogs der elektrische
Funke gewesen, der in eine Mine geschlagen. Die Hände reckten sich zum
Gruß und Schwur empor, die Helme wurden geschwungen, die Blicke flammten
und dreimal rollte unter den Klängen der deutschen Volkshymne der Ruf an
den Spiegeln und Marmorwänden hin und hallte von der gewölbten Decke
wider. Das deutsche Volk in Waffen hatte seinen Kaiser proklamiert und
ihm aus voller Brust seinen kräftigsten Willkomm entgegengerufen. Aus des
Königs Augen stürzten Tränen innigster Bewegung; er drückte dem Groß-
herzog die Hand. Nun war es ein erhabener Augenblick, wie der Kronprinz
Friedrich Wilhelm, als der erste der Reichsmannen und Erbe des Reiches,
vor dem Kaiser zur Huldigung die Kniee beugte, der Kaiser den Prinzen erhob
und ihn mit herzlichster Bewegung in seine Arme schloß. Auch den Prinzen
Karl und die ihm verwandten Fürsten umarmte der Kaiser tief gerührt. Dann
ließ er die sämtlichen Abordnungen der Offiziere an sich vorüberziehen und ging
an den Reihen der im Saale aufgestellten Truppen entlang. Die Musikchöre
hatten sich inzwischen in dem an den Saal östlich anstoßenden „Friedenssaal“
aufgestellt.
Von dorther begrüßten sie den Kaiser mit dem Hohenfriedberger Marsch,
als er, begleitet von den Fürsten und den Prinzen, in den Saal hinabstieg
und langsam die ganze Galerie abschritt um darauf den Festraum zu verlassen.
Das Große und Wunderbare war geschehen! Bald wehten die Fahnen
und Standarten der Regimenter wieder unten auf dem Vorhof des Schlosses,
von wo sie an Ludwigs XIV. Reiterstatue und den Standbildern französischer
Feldherren vorüber zur Kommandantur getragen wurden. Vom Schlosse aber
wurde alsbald das rote Königsbanner hinweggenommen und statt seiner wehte
und wallte nun dort über dem Mittelbau des à toutes les gloires de la
France“ geweihten stolzen Palastes zum ersten Male das schwarz-weiß-rote
Nationalbanner des neu erstandenen Deutschen Reiches. Alle aber, die der
denkwürdigen Feier beigewohnt, waren mit hohem Glücksgefühl darüber erfüllt,
daß sie das noch erlebt, mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren
gehört hatten. Ein weltgeschichtlicher, unvergeßlicher Akt hatte sein Ende erreicht.
Das Deutsche Reich steht aufgerichtet
Von Fels zum Meer auf festem Grund,
Was wir ersehnt, erträumt, erdichtet,
Getan ist's, — allen Völkern kund.
Wer uns nicht liebt, der mag uns scheuen,
Wir aber wollen uns in Treuen
An unserm blutgeschweißten Bund
Für Kaiser und für Reich erfreuen! (Jutius Wolff.)