Full text: Die Legimitationsprüfung der Bundesratsbevollmächtigten und der Reichtagsabgeordneten nach bisherigem Reichsstaatsrecht.

mußten. 8 5 Geschäftsordnung sprach nun von „Wahlanfech- 
tungen,“ d. h. solchen Wahlprotesten, die von außen her gegen 
die Wahl erhoben wurden, und von Einsprachen bezw. Be- 
zweiflungen der Gültigkeit, d. h. solchen Protesten, die aus dem 
Reichstage selbst gegen die Wahl erhoben wurden. Diese letz- 
teren konnten einmal von Mitgliedern der Abteilungen, die 
die Legitimationsprüfung in engeren Sinne zu besorgen 
hatten, erhoben werden, wie sich aus § 5 Gesch.-Ord. ergibt. 
Weiter wird in § 4 Gesch.-Ord. jedes Mitglied des wahlprü- 
feenden Reichstags das Recht zugestanden, Einsprachen zu er- 
heben. Wer aber, d. h. welcher außerhalb des Reichstages 
Stehende zur Wahlanfechtung befugt war, darüber schweigt 
die Geschäftsordnung. Über diese Aktivlegitimation ist daher 
auch der Reichstag im Laufe der Jahre keineswegs einer ein- 
heitlichen Meinung gewesen. 
Im Jahre 1874 erhob sich zum erstenmale diese Frage:). 
Hier standen sich in der Hauptsache zwei Ansichten gegenüber. 
Die eine, vertreten durch den Abgeordneten Braun, wollte 
die Aktivlegitimation lediglich den im Wahlkreis Wablberech= 
tigten geben. Der Abgeordnete Braun führte bei dieser Ge- 
legenheit aus, als berechtigt zur Anfechtung könne nur derjenige 
betrachtet werden, dessen Recht verletzt sei. Ein solches Recht 
könne aber nur den bei der Wahl unmittelbar Beteiligten zuge- 
schrieben werden, denn diese, und nur diese, hätten die Befugnis, 
darüber zu verfügen, ob und in welcher Weise sie wegen Be- 
einträchtigung ihres Wahlrechts Protest erheben wollten; bei 
gegenteiliger Auffassung könnten daher z. B. die Wider- 
wärtigkeiten eines neuen Wahlkampfes einem Wahlkreise von 
irgend einer auswärtigen Person aufgenötigt werden. — Die 
andere vom Abgeordneten Windthorst vertretene Ansicht 
besagte dagegen, daß quilibet ecx populo zur Wahlanfechtung 
berechtigt sei; denn die Abgeordneten seien lt. Art. 29 RV. 
Vertreter des ganzen Volkes. 
1) Sten. Ber. 1874, S. 720ff.
	        
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