Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 15. Die Pflichten der Reichsangehörigen. 149 
sammenhang der in diesem Paragraphen aufgeführten Fälle des Landes- 
verrates mit der in der Staatsangehörigkeit begründelen Treuverpflich- 
tung gelöst‘); Inländer und Ausländer sind einander völlig gleichge- 
stellt?); nur daß ein Inländer auch wegen eines im Auslande begangenen 
Landesverrates zur Strafe gezogen werden kann (Reichsstrafgesetzbuch 
84, 2. 2). 
Dadurch war es von selbst ausgeschlossen, den Landesverrat, 
welchen ein Deutscher gegen den eigenen Staat verübt, von dem Landes- 
verrat, welchen ein Deutscher gegen einen anderen Bundesstaat verübt, 
zu unterscheiden und der Staatsangehörigkeit innerhalb des Deutschen 
Reiches in dieser Richtung eine strafrechtliche Wirksamkeit beizulegen. 
Das Reichsstrafgesetzbuch ignoriert an dieser Stelle — und zwar nach 
Ausweis der Motive S. 83 ff. mit Bewußtsein und Absicht — die Fort- 
dauer eines besonderen staatlichen Angehörigkeitsverhältnisses zwischen 
dem einzelnen und seinem Heimatsstaate und geht davon aus, daß 
man im ganzen Bundesgebiet jeden Bundesangehörigen als In- 
länder auffassen müsse. Dem ethischen und rechtlichen Bewußtsein 
des Volkes dürfte es freilich anstößig erscheinen, »daß der Angehörige 
des Staates R, der ein Geheimnis des Einzelstaates S seinem eigenen 
Staate verraten hat, überall in Deutschland ebenso strafbar, also auch 
von seinem eigenen Heimatsstaat ebenso zur strafrechtlichen 
Verantwortung zu ziehen wäre, wie wegen irgend eines Privatver- 
brechens« °). 
So wie die Strafe des Kriegslandesverrats eine Analogie in dem 
oben erörterten Verlust der Staatsangehörigkeit auf Grund des $ 20 
des Gesetzes vom 1. Juni 1870 hat, so auch der sogenannte diploma- 
tische Landesverrat. Dasselbe Gesetz bestimmt in 8 22: 
»ITritt ein Deutscher ohne Erlaubnis seiner Regierung in 
fremde Staatsdienste, so kann die Zentralbehörde seines Heimats- 
staates denselben durch Beschluß seiner Staatsangehörigkeit ver- 
in Holtzendorffs Handbuch des deutschen Strafrechts LI, 1, S. 53 sagt ohne Angabe 
eines Grundes, daß für die Fälle des $ 92, Nr. 1 u. 2 als Subjekt ein Deutscher 
vorausgesetzt sei. Vgl. dagegen Schütze S. 248; Oppenhoff zu $ 9, Note 2; 
Rudorff zu8 9, Notel; Schwarze S.286; Olshausen zuS$ 92, Note 2; Liszt 
S. 571. Auch Berner hat in der 18. Aufl. S. 369 seine frühere Ansicht aufgegeben. 
1) Ueber das Bedenkliche dieses Verfahrens vgl. Heinzea. a. 0. S. 64 ff. 
2) Dadurch wird natürlich nicht ausgeschlossen, daß bei der Strafausmessung 
vom Richter das subjektive Moment gewürdigt und der Verrat des eigenen Staates 
strenger bestraft wird, als die gleiche Handlung eines Ausländers bestraft werden 
würde Vgl. auch Schütze S. 231. 
3) Vgl. Heinzea. a. O. S. 65; Binding a. a.0.8.425. Wenn John a.a.0. 
S. 54 zur Rechtfertigung des Strafgesetzbuches sich auf die Anschauung beruft, daß 
durch die Verletzung des Teils das Ganze verletzt erscheint, so ist zu erwidern: 
1. daß diese Anschauung falsch ist, insoweit das Interesse des Teils verschieden ist 
von dem Interesse des Ganzen, und 2. daß es strafrechtlich nicht gleichgültig ist, ob 
jemand denjenigen Teil des Ganzen, dem er selbst angehört, verletzt oder einen an- 
deren Teil desselben Ganzen.
	        
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