Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

166 8 18. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. 
hörig, während das Kind die Reichsangehörigkeit besitzt, — gleichviel 
aus welchem Grunde —, so ist die Legitimation nur wirksam, hat also 
auch nur den Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes zur Folge, 
wenn die nach den deutschen Gesetzen vorgeschriebene Einwilligung 
des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familien- 
rechtlichen Verhältnisse steht, z. B. des Vormunds, erfolgt ist!). Auch 
wenn die Legitimation im Auslande erfolgt ist, hat sie in Deutsch- 
land nur dann rechtliche Wirkungen, wenn diese Vorschriften beob- 
achtet worden sind. 
Die Adoption bewirkt den Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht). 
3. Die Verheiratung mit einem Deutschen begründet für die 
Ehefrau die Staatsangehörigkeit des Mannes (8 5)°). Die Wirkung tritt 
ohne Rücksicht auf den Willen der Frau kraft Gesetzes ein und kann 
daher auch nicht durch den Willen der Frau — oder beider Gatten 
— ausgeschlossen werden. Es gibt im Falle der Verheiratung keinen 
Vorbehalt der Staatsangehörigkeit; denn es handelt sich hier nicht wie 
bei der Verleihung um ein Rechtsgeschäft mit dem Staat. 
II. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit ist ein Verwaltungs- 
akt, zu dessen Vornahme die »höhere« Verwaltungsbehörde des Staates 
kompetent ist. Als solche gilt im Gegensatz zur Ortspolizeibehörde die 
Verwaltungsbehörde zweiter Instanz, die Bezirks- oder Kreisregierung'‘). 
Die Verleihung ist ein staatliches Rechtsgeschäft, welches 
die Form der Schriftlichkeit, d. h. eine von der kompetenten Behörde 
ausgestellte Urkunde erfordert ($6). Das Rechtsgeschäft ist ein zwei- 
seitiges, indem es die Akzeptation der Staatsangehörigkeit seitens 
des aufzunehmenden Bürgers erfordert’). Regelmäßig wird diese Ak- 
1) Ebenda Abs. 2. Vgl. BGB. $ 1726 ff. 
2) Ueber den Grund vgl. die Motive zu 8 2 des Gesetzes (S. 157). 
3) Auf Kinder aus einer früheren Ehe oder auf uneheliche Kinder erstreckt die 
Verheiratung der Mutter ihre Wirkung nicht (Motive zu 8 5). 
4) Die Instruktion der Sache, die Entgegennahme der Gesuche, protokollarische 
Vernehmung usw. kann jedoch von der Lokalbehörde erfolgen. Den Einzelstaaten 
ist es überlassen, die Zuständigkeit der Behörden zu bestimmen. Vgl. die ausf. An- 
gaben bei Cahn S. 64ff. Bazille und Köstlin S. 154 ff. 
5) Seine Analogie findet dieser staatsrechtliche Vertrag auf dem Gebiete des 
Privatrechts natürlich nicht in den Kontrakten des Obligationenrechts, sondern in den 
familienrechtlichen Verträgen, insbesondere in der Adoption. Der Auffassung der 
Verleihung als eines zweiseitigen Rechtsgeschäftes (Vertrages) stimmen zu 
Seydell,S. 275, Note 13; v. Sarwey I, S.165; Rehm, Annalen 1885, S. 118 fg; 
Löning, Verwaltungsrecht S. 246; Jellinek, System, S. 209 fg.; dagegen erachten 
Meyer 876, Note 9, Zorn], S. 357 (mit ganz verfehlter Begründung), O.Mayer 
im Archiv für öffentliches Recht Bd. 3, 8. 46ff, Radnitzky, Parteiwillkür im 
öffentlichen Recht, Wien 1888, S. 59 ff, SartoriusS.55, BornhakS. 251, An- 
schütz S. 530 und andere sie für einen einseitigen Verwaltungsakt. Was ge- 
hört aber zum Begriff eines Vertrages anderes als der Konsens zur Begründung 
(oder Veränderung, Aufhebung) eines Rechtsverhältnisses? Die Ansicht, daß die Ver- 
leihung kein zweiseitiges Geschäft sein könne, wird durchweg auf die Behauptung 
gestützt, daß der Vertrag gleichberechtigte Kontrahenten, koordinierte Subjekte vor-
	        
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