Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 21. Begriff und staatsrechtliche Natur des Bundesgebietes. 191 
Ausflüsse der Gebietshoheit, sondern Akte der Staatsgewalt überhaupt, 
für deren Charakteristik die zufällige Berührung mit Verhältnissen der 
Oertlichkeit nicht entscheidend ist«!)., Die Gebietshoheit ist sonach 
die Staatsgewalt selbst; daß die letztere innerhalb eines bestimmten 
Gebietes ausgeübt wird, ist nicht ein Teil ihres Inhalts, sondern eine 
Eigenschaft derselben. 
Hiernach muß es fraglich erscheinen, ob das Gebiet überhaupt als 
ein Objekt der Staatsgewalt angesehen werden könne; denn, sagt 
man, wenn unter Gebietshoheit die Ausübung der Staatsgewalt in 
einem Gebiete zu verstehen ist, so könne sie nicht als ein Recht an 
einem Gebiete definiert werden. In dieser Beziehung unterscheidet 
sich aber die Gebietshoheit keineswegs vom Grundeigentum. Auch 
das letztere kann man definieren entweder als den. Raum, innerhalb 
dessen der Eigentümer unter den von der Rechtsordnung gezogenen 
Schranken schalten und walten und jeden andern ausschließen kann, 
oder als das Objekt der dem Eigentümer zustehenden Rechtsmacht. 
Beides bedingt sich gegenseitig. Die »Raumfunktion« des Grundeigen- 
tums macht das Grundstück zum Objekt des Eigentumsrechts und 
umgekehrt folgt aus der Herrschaft des Eigentümers über das Grund- 
stück seine Befugnis, innerhalb der räumlichen Grenzen des Grund- 
stücks ausschließlich zu tun, was ihm beliebt. Daß die Theorie des 
Privatrechts das Grundeigentum nicht als »Raumfunktion«, sondern 
als »Sachfunktion« behandelt, beruht auf dem sehr maßgebenden 
Grunde, daß der Rechtsbegriff des Eigentums gleichmäßig für unbe- 
wegliche und bewegliche Sachen zu bilden ist und die Vorstellung des 
Eigentums an beweglichen Sachen als Raumfunktion, wenn überhaupi 
durchführbar, unnatürlich und gekünstelt wäre. Hinsichtlich des Eigen- 
tums an Grundstücken besteht diese Schwierigkeit aber nicht. Mag 
man daher das Gebiet als den Raum ansehen, innerhalb dessen die 
Staatsgewalt sich äußert, oder das Objekt, welches der Staat beherrscht, 
in beiden Fällen besteht die Analogie zwischen der Gebietshoheit und 
dem Grundeigentum. Nur wenn man für die Gebietshoheit die Raum- 
funktion, hinsichtlich des Grundeigentums die Sachfunktion der Be- 
griffsbestimmung zugrunde legt, kann man zwischen ihnen einen Gegen- 
satz, der jede Analogie ausschließt, konstruieren?). Man sagt, da das 
1) Dieser Anschauung haben sich angeschlossen Brockhaus, Artikel „Staats- 
gebiet“ in v. Holtzendorffs Rechtslexikon Bd. 3, S. 749; Zorn L,S. 99; G. Meyer 
8 74, SeydelI, S. 270, 334; v. SarweyIIl, S. 49 ff.;, Gareis S.138fg.; Rosin, 
Oeffentliche Genossenschaft (1886) S. 45 ff. Sie ist jetzt allgemein angenommen. 
2) Darauf beruht die Ausführung von Fricker vom Staatsgebiet, Tübingen 
1867 und Derselbe, Gebiet und Gebietshoheit, Tüb. 1901. Er bestreitet auf Grund 
dieser dialektischen Gegenüberstellung von Gebietshoheit und Grundeigentum, daß 
das Gebiet ein Objekt der Staatsherrschaft sei und er hat diese Ansicht mit so gros- 
sem Scharfsinn durchgeführt, daß er zahlreiche Anhänger gefunden hat, so namentlich 
auch Jellinek, Allg. Staatslehre S. 381 ff. u. G. Meyer 874. Auch in der aus- 
ländischen Literatur; vgl. z. BB Cavaglieri im Archivio giuridico „Fil. Serafini“
	        
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