194 8 21. Begriff und staatsrechtliche Natur des Bundesgebietes.
Verkehr lassen sich zahllose Beispiele solcher internationalen Rechts-
geschäfte anführen, deren Objekt ein Gebiet ist in derselben Art wie
im Privatrechtsverkehr die Sache!). Die Gebietshoheit steht nicht im
Widerspruch mit dem Satz, daß das spezifische Merkmal des
Staates die Herrschaft über freie Personen sei, wie Jellinek a.a. 0.
Ss. 386 Anm. 1 behauptet?). Denn dieses Merkmal erschöpft nicht
das Wesen des Staates und schließt nicht aus, daß es neben der ihm
allein zukommenden und deshalb für ihn charakteristischen
Hoheit über Untertanen noch andere Merkmale und Rechte habe. Es
steht doch damit auch nicht im Widerspruch, daß der Staat Vermögens-
rechte und daß er völkerrechtliche Rechte und Pflichten hat; warum
sollte daher die Herrschaft über ein Gebiet damit unvereinbar sein?)
Die positive Seite des Rechts am Territorium besteht in der unbe-
schränkten Befugnis des Staates, das Gebiet für die staat-
lichen Zwecke zu verwenden, darüber zu schalten und zu
walten). Beide Wirkungen bedingen sich wechselseitig; eine ist ohne
die andere nicht denkbar.
Wenn man nun diesen Begriff der Gebietshoheit mit dem oben
($ 7 ff.) dargelegten Wesen des Bundesstaates kombiniert, so ergibt sich,
daß im Reiche in ähnlicher Weise eine doppelte Gebietshoheit besteht
wie eine doppelte Untertanenhoheit’). Die Staaten sind mit Land und
1) Der sachenrechtliche Charakter der Gebietshoheit ist daher nicht, wie Jel-
linek S. 392 sagt „ein in der völkerrechtlichen Lehre haften gebliebenes Rudi-
ment der ehemaligen patrimonialen Staatslehre“, sondern er ist ein positiv aner-
kanntes Institut des praktischen Völkerrechts; nicht bloß der Theorie. Zu wel-
chen schrullenhaften Konstruktionen die Leugnung der Analogie des Rechts am Ge-
biet mit dem Eigentum führt, dafür gibt Bansi ein Beispiel. Er vergleicht S. 692
die Abtretung eines Gebietes mit der Transfusion von Blut und der Transplantation
eines Stückes Haut. Hat die organische Staatslehre zur Erklärung von Rechtsvor-
gängen die Zoologie zu Hilfe genommen, so bedient sich Bansi jetzt zu gleichen
Zwecken der Chirurgie. Und dies alles, um die beiden Teile des Rechts, das öffent-
liche und das private, so auseinanderzureißen, daß jede Berührung unter ihnen
verhütet wird.
2) Ebenso W. van Calker, Krit. Vierteljahrsschr. 3. Folge Bd. 10 S. 616.
3) Preuß bezeichnet den Staat als Gebietskörperschaft (ebenso Hänell,
S. 108), verknüpft also mit dem Begriff der Körperschaft als Personenvereinigung
(„Gresamtperson“) ein diesem Begriff fremdartiges Element. Er definiert (S. 395) das
Recht am Gebiet als das „Recht, Gebietskörperschaft zu sein“; das Gebiet sei ein
„Statusrecht“ der Gebietskörperschaften, die Gebietshoheit sei das Recht, Gebiets-
veränderungen vorzunehmen. Dadurch aber, daß man in die Definition des
Staates die Beziehung auf das Gebiet mit aufnimmt, kann man den Satz, daß die
Staatsgewalt Herrschaftsrechte am Gebiet habe, nicht widerlegen.
4) Die Gebietshoheit ist demnach kein Eigentum im Sinne des Privatrechts, so
wenig wie die Staatsgewalt über die Untertanen privatrechtliche potestas oder mun-
dium ist. Der Satz, daß die Gebietshoheit nicht dominium, sondern imperium sei,
ist fast zum staatsrechtlichen Gemeinplatz geworden; ihrem Inhalte nach ist die
Gebietshoheit nur staatsrechtlicher Art. Vgl. SeydelJI,S. 334.
5) Wenn man dem Deutschen Reich den staatlichen Charakter bestreitet und es
als einen Staatenbund auffaßt, so ist es konsequent, die Gebietshoheit des Reiches