204 8 23. Der Schutz des Gebietes.
S 23. Der Schutz des Gebietes.
I. Der Zweck und die Aufgabe des Reiches ist der Schutz des
Bundesgebiets. (Einleitung der Reichsverfassung.) Dieser Aufgabe und
den zu ihrer Durchführung dienenden Hoheitsrechten gegenüber ist
das Bundesgebiet eine Einheit. Im Staatenbund besteht zwar auch
die gemeinsame Aufgabe zum Schutz des Bundesgebietes; hier wird
sie aber erfüllt durch eine Kollektivgarantie für die Integrität der ein-
zelnen Staatsgebiete; jeder Staat ist verpflichtet, den übrigen behufs
Verteidigung ihrer Gebiete zu helfen; das Bundesgebiet ist lediglich
die Summe der unter diesen Schutz gestellten Staatsgebiete. Im Bundes-
staat wird durch einen feindlichen Angriff oder durch einen unbefugten
Eingriff eines auswärtigen Staates nicht bloß der Staat, dessen (Grebiet
davon betroffen ist, sondern der Bund selbst als völkerrechtlich aner-
kanntes staatliches Rechtssubjekt verletzt. Das Reich verteidigt sein
eigenes Hecht, wenn es Angriffe (oder Eingriffe) auf das Bundes-
gebiet zurückweist, während im Staatenbund die nicht unmittelbar
verletzten Staaten durch Leistung der Bundeshilfe ihre vertragsmäßige
Pflicht zur Verteidigung eines fremden Rechts erfüllen.
Dieser Pflicht des Reiches, das Bundesgebiet als Einheit zu schützen,
entspricht das ausschließliche Recht des Reiches, auswärtigen Staaten
gegenüber die Gebietshoheit über das ganze Bundesgebiet wahrzu-
nehmen und im Inneren des Reiches alle Anordnungen zu treffen,
welche zur Verteidigung des Bundesgebietes erforderlich sind.
1. Dem Auslande gegenüber hat das Reich am Bundes-
gebiete alle diejenigen Rechte, welche nach den Grundsätzen des Völker-
rechts dem Souverän des Einheitsstaates an seinem Staatsgebiet zu-
stehen und die in dem Satz sich zusammenfassen lassen, daß jeder
andere Staat, soweit ihm nicht rechtsgültig Staatsservituten bestellt sind,
die Ausübung von Hoheitsrechten an dem Bundesgebiet unterlassen
muß. Hier tritt aber der Unterschied von Bundesstaat und Staaten-
bund und die dem ersteren zustehende selbständige Gebietshoheit in
einer sehr bemerkenswerten Weise hervor. Im Staatenbund kann
jeder einzelne Staat einem auswärtigen Staate Staatsservituten bestellen,
ihm die Ausübung von Hoheitsrechten erlauben, 'Truppendurchzüge
durch das Land oder Stationierung von Kriegsschiffen in den Häfen
ihm gestatten, Kartellkonventionen zur Ermöglichung von Grenzüber-
schreitungen behufs Verfolgung von Schmugglern, Forstfrevlern u. s. w.
abschließen. Die übrigen Staaten und die Bundesorgane haben kein
Einspruchsrecht gegen solche selbstgewollte und bewilligte Beschrän-
kungen der dem einzelnen Staate zustehenden Gebietshoheit; sie ha-
ben nur Bundeshilfe zu leisten bei feindlichen und widerrechtlichen
Angriffen.
Im Reiche, als einem Bundesstaate, kann kein Einzelstaat einem