Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

210 8 23. Der Schutz des Gebietes. 
rung, daß auch hier die Landesbehörde kraft gesetzlicher Delegation 
ein Hoheitsrecht des Reiches handhabte. 
III. Neben dem Schutz des Gebietes gegen auswärtige Staaten 
kommt noch der Schutz des Gebietes gegen verbreche- 
rische Unternehmungen in Betracht. Auch hier zeigt sich, 
daß das Bundesgebiet weder die bloße Summe der Staatsgebiete ist, 
noch daß die Staatsgebiete ihre Sonderexistenz verloren und im Bundes- 
gebiet aufgegangen sind; vielmehr ist das Bundesgebiet die höhere 
Einheit, welche die Staatsgebiete umschließt. 
1. Der 8 81 des Reichsstrafgesetzbuches unterscheidet zwei von- 
einander völlig getrennte, mit denselben Strafen bedrohte Fälle des 
Hochverrats, die dem Gegensatz von Bundesgebiet und Staatsgebiet 
entsprechen: Er bestimmt: 
3. Das Bundesgebiet ganz oder teilweise einem fremden 
Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen Teil desselben vom 
Ganzen loszureißen, oder 
4. das Gebiet eines Bundesstaates ganz oder teilweise 
einem anderen Bundesstaate gewaltsam einzuverleiben oder 
einen Teil desselben vom Ganzen loszureißen, 
wird wegen Hochverrats ... . . bestraft. 
Daß es sich hier um zwei verschiedene Objekte des Hoch- 
verrats handelt, daß das Reich selbständig einen Schutz in Ansehung 
des Bundesgebietes und jeder Staat selbständig einen Schutz in An- 
sehung seines Staatsgebietes erhalten hat, zeigt der Wortlaut. Es handelt 
sich aber keineswegs bloß um eine begriffliche Unterscheidung; son- 
dern es lassen sich sehr wohl Unternehmungen denken, in denen nicht 
gleichzeitig in ideeller Konkurrenz beide Fälle des Hochverrats vor- 
liegen, sondern nur entweder der eine oder der andere. So würde 
z. B. das Unternehmen, die Provinz Posen zwar beim Königreich 
Preußen zu belassen, aber sie gewaltsam vom Reiche loszureißen, nur 
unter Nr. 3'), dagegen das Unternehmen, die Provinz Hannover zwar 
beim Reiche zu belassen, aber sie gewaltsam vom Königreich Preußen 
loszureißen, nur unter Nr. 4 fallen. 
2. In ähnlicher Weise wie beim Hochverrat kommt das Gebiet in 
Betracht bei denjenigen strafbaren Handlungen, zu deren Tatbestand 
es gehört, daß sie gegen das Oberhaupt des Reiches oder eines Bundes- 
staates?) verübt werden. Der Kaiser ist gegen hochverräterische Mord- 
1) Die Aufzählung bei John in Holtzendorffs Handb. des Deutschen Strafrechts 
III, 1, S. 14, wonach der Hochverrat gegen das Bundesgebiet in doppelter Weise 
begangen werden kann, indem entweder ein Teil des Bundesgebiets einem fremden 
Staat einverleibt werden oder aus demselben ein neuer selbständiger, dem Reich 
nicht angehöriger Staat gemacht werden soll, ist nicht erschöpfend. 
2) Beziehentlich gegen den Regenten oder gegen ein Mitglied des landesherr- 
lichen Hauses.
	        
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