8 25. Das Subjekt der kaiserlichen Rechte. 223
verworfen werden. Der Erwerb der Krone erfolgt, wie allgemein an-
erkannt und auch von v. Rönne nicht bezweifelt wird, ipso jure im
Augenblick der Erledigung des Thrones. Der Regierungsnachfolger
wird daher König und zwar mit allen verfassungsmäßi-
en Rechten ausgestatteter König, bevor er nur die Mög-
lichkeit hat, den Eid zu leisten. Er muß mit Notwendigkeit vor
Leistung des Eides Regierungshandlungen vornehmen, z. B. die Ein-
berufung und Eröffnung des Landtages, in dessen Gegenwart er den
Eid leisten soll. Er ist auch schon vor Leistung des Eides und ohne
denselben staatsrechtlich zur unverbrüchlichen Beobachtung der Ver-
fassung verpflichtet. Die Leistung des Eides ist eine verfassungsmäßige
Pflicht des Königs; die Verzögerung oder Verweigerung der Eides-
leistung eine Pflichtversäumnis, eine Verfassungsverletzung. Dieselbe
ist aber mit keiner anderen Rechtsfolge bedroht als andere Verfas-
sungsverletzungen seitens des Königs. Niemals hat eine solche die
Rechtswirkung, daß der König mit Verlust der Krone bestraft wer-
den könnte. Darauf läuft aber die Theorie v. Rönnes hinaus. Denn
der im Moment des Anfalls ipso jure vollendete Erwerb der Krone
kann nicht rückwärts annulliert werden, sondern die Krone könnte nur,
nachdem die Verweigerung oder ungebührliche Verzögerung der Eides-
leistung vom Landtage konstatiert worden, dem Könige entzogen
werden. Dies ist eine Theorie, welche das Wesen des Monarchen-
rechts verleugnet und in dem Prinzip der Volks- oder Parlaments-
souveränität wurzelt!).
Welche Mittel der preußische Landtag nach preußischem Staats-
recht hat, um Verfassungsverletzungen seitens des Königs zu verhindern,
resp. die Ableistung des Verfassungseides zu erzwingen, kann hier
unerörtert bleiben; es genügt, daß er in keinem Falle befugt ist, den
König abzusetzen. Für das Reich ist dies allein von Bedeutung.
Eine wirkliche oder angebliche Verletzung der preußischen Verfassung
durch den König von Preußen ist eine innere Angelegenheit des
preußischen Staates und dem Reiche gegenüber ohne Rechtswirkung.
Der Art. 11 macht das Recht des Königs von Preußen auf das Prä-
sidium des Reiches nicht von der Bedingung abhängig, daß derselbe
die preußische Verfassung nicht verletze. Eine Einmischung in innere
Angelegenheiten des preußischen Staates steht dem Reiche nicht zu,
es sei denn, daß auf Grund des Art. 76, Abs. 2 der Reichsverfassung
die Vermittelung oder Regelung einer preußischen Verfassungsstreitig-
keit von seiten des Reiches durch Anrufen eines Teiles herbeige-
führt wird.
Was die materielle Normierung des preußischen Thronfolgerechts
anlangt, so steht dieselbe im Einklang mit den gemeinrechtlichen
1) Vgl Held, System des Verfassungsr. II, S. 272, Note 2 und S. 29%, Note 1;
Zachariä, Staatsr. I, $ 56, Note 8 (S..302). Schulze, Preuß. Staatsr. I, $ 63,
S. 203fg. Uebereinstimmend Zorn], S. 182. Meyer S$ 127, Note 4.