228 8 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte.
Reichsverwaltungszweige '. Welche Rechte d.h. staatliche Funktionen
der Kaiser z. B. in Zollsachen, Militärsachen, Angelegenheiten der Post
und Telegraphie u. s. w. hat, läßt sich nur bei der Darstellung des
Zoll-, Militär-, Post- und Telegraphenwesens u. s. w. entwickeln, wenn
nicht der innere, sachliche Zusammenhang zerstört werden soll. Da-
gegen ist es von wesentlicher Bedeutung, die Stelle, welche der Kaiser
im Organismus des Reiches einnimmt, juristisch zu bestimmen, und
gerade diese Aufgabe ist in der älteren Literatur des Reichsrechts ganz
vernachlässigt worden.
Den Ausgangspunkt muß auch hier die rechtliche Natur des Rei-
ches und das Wesen des Bundesstaates bilden. Das Reich ist — wie
oben entwickelt worden ist — eine Korporation des öffentlichen Rechtes,
deren Mitglieder die einzelnen deutschen Staaten, beziehungsweise
deren Landesherren als Vertreter der Staaten sind. In der Reichs-
verfassung kehren demgemäß die allgemeinen Grundzüge der Kor-
porationsverfassung wieder, und die Organe des Reiches haben ihr
Analogon in den Organen der Privatkorporation; nur daß ihre Stel-
lung von den Prinzipien des Öffentlichen Rechtes, nicht von denen
des Privatrechts beherrscht wird, alle ihre Rechte auf die Ausübung
von Hoheits- oder Herrschaftsrechten sich beziehen und in untrenn-
barem Zusammenhange mit den Pflichten zur Erfüllung der staatlichen
Aufgaben des Reiches stehen. In dieser öffentlichrechtlichen Korpo-
ration, welche das Reich ist, ist der Kaiser dasjenige Organ, welches
man bei der Privatkorporation den Vorstand oder Direktor nennt,
und seine Befugnisse und Pflichten, seine — sozusagen amtlichen —
Funktionen entsprechen im wesentlichen den Befugnissen und Pflich-
ten, welche der Vorstand oder Direktor einer juristischen Person über-
haupt hat?).
1) In der Literatur des deutschen Reichsstaatsrechts ist es üblich geworden,
Kataloge der kaiserlichen Rechte aufzustellen. So z. B. bei Thudichum, Nordd.
Bundesverf. S. 125, v. Gerber S.246, Hauser S.72ff., Riedel S.29 ff, Meyer,
Erörter. S. 2%, Westerkamp S. 165, v.RönnelIl, $S 7, S. 227 ff, v. Mohl
S. 283 ff, Zorn LS. 184 ff. Diese Aufzählungen sind unvollständig und meistens
ohne dogmatische Gesichtspunkte; sie bieten kaum den Nutzen, wie das Wortregister
des Reichsgesetzblattes unter dem Wort: Kaiser.
2) Diese Ausführung ist vielfach angegriffen und als „unpassende privatrecht-
liche Analogie“ bezeichnet worden; vgl. v. Kirchenheim, Regentschaft S. 129 ff.;
Zorna.a. 0. und in v. Holtzendorffs Rechtslexikon II, S.426. Gierke in Schmol-
lers Jahrb. VII, S. 1186 ff.; Störk, Methodik des öffentlichen Rechts S. 57 ff. u. 691g.
Hiergegen ist zu erwidern, daß der Begriff der juristischen Person nicht auf das
Privatrecht beschränkt ist, sondern dem öffentlichen Recht ebensogut angehört, ja
auf diesem Gebiet wohl seine eigentliche Heimat hat. Nun ergeben sich aber aus
dem allgemeinen Begriff der juristischen Person gewisse Rechtssätze, die für alle
juristischen Personen gleichmäßig Geltung haben, von denen man daher ebensowenig
sagen kann, sie seien von dem Gebiete des Privatrechts auf dasjenige des öffent-
lichen Rechts übertragen, wie umgekehrt. Sie gehören vielmehr von Hause aus und
ursprünglich beiden Gebietenan. Hierher gehört das Erfordernis, daß jede juristische