Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

230 8 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte. 
dern, aber niemals sie vornehmen. Die Staatsgewalt des Reichs, das 
imperium, kommt, soweit die Ausübung nicht den Einzelstaaten über- 
tragen ist, nur durch den Kaiser und die ihm untergeordneten Reichs- 
behörden zur Verwirklichung. Dadurch ist die Stellung des Kaisers 
der eines Monarchen gleichartig; er hat diejenigen Funktionen, welche 
nach den allgemein verbreiteten und hergebrachten Anschauungen 
Attribute der monarchischen Stellung sind und da alle anderen Landes- 
herren der deutschen Staaten von jeder Beteiligung an diesen Funk- 
tionen ausgeschlossen sind und das Kaisertum erblich ist, so entsteht 
der Anschein, als wäre der Kaiser der Monarch des Reichs. 
Der Gegensatz des Kaisertums gegen das Monarchenrecht besteht nicht 
in dem verschiedenen Maße der Machtbefugnisse, sondern in der Ver- 
schiedenheit des Rechtsgrunds, auf welchem sie beruhen. 
Hiernach gelten folgende Rechtssätze: 
1. Der Kaiser ist der alleinige, ausschließliche 
Vertreter des Reiches Dritten gegenüber. 
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß der Umfang seiner Ver- 
tretungsbefugnis, seiner Vollmacht, ein unbegrenzter, allumfassen- 
der ist; daß der Kaiser rechtlich befugt sei, mit verbindlicher Kraft 
für das Reich jeden Vertrag abzuschließen, der ihm beliebt. Er kann 
hierin sehr wohl an die Zustimmung des Bundesrates und Reichstages 
gebunden oder durch Reichsgesetze materiell beschränkt sein, was in 
der Tat der Fall ist!.. Aber das Reich hat keinen anderen Ver- 
treter als den Kaiser, beziehentlich die von ihm ernannten 
Beamten als dessen Gehilfen. Weder der Bundesrat allein, noch Bun- 
desrat und Reichstag zusammen, noch die einzelnen deutschen Landes- 
herren in Person können für das Reich einen Vertrag abschließen; 
der Kaiser allein ist zur Vertretung des Reiches befugt; für das Reich 
kann kein Vertragsverhältnis begründet werden, ohne daß der Kaiser 
es kontrahiert. Es folgt ferner aus diesem Grundsatz, daß alle vom 
Kaiser im Namen des Deutschen Reiches innerhalb seiner ver- 
fassungsmäßigen Vertretungsbefugnis abgeschlossenen Verträge für das 
Reich rechtswirksam sind, Rechte und Pflichten für das Reich be- 
gründen. 
Diese Funktion des Kaisers als Vertreter des Reichs ist in der 
Reichsverfassung Art. 11, Abs. 1 für die völkerrechtlichen Be- 
ziehungen anerkannt: 
»Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich 
zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären 
und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit 
fremden Staaten einzugehen.« 
Allein es ist unrichtig, die Vertretung des Reiches durch den Kaiser 
auf die völkerrechtlichen Beziehungen des Reiches zu beschränken. 
1) Vgl. Reichsverfassung Art. 11, Abs. 3.
	        
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