$ 27. Wesen des Bundesrates. 233
Auch in dieser Beziehung ist seine Stellung derjenigen analog,
welche der Vorstand einer privatrechtlichen Korporation hat. Nur
darf man nicht vergessen, daß eine Privatrechtskorporation keine an-
deren Machtmittel hat als pekuniäre und keine andere Administration
als Vermögensverwaltung. Der Staat dagegen gebietet auch über Macht-
mittel öffentlich-rechtlicher Natur, über die staatlich organisierten
Streitkräfte. Die Verwaltung dieser Machtmittel findet ihren schärfsten
Ausdruck in dem Oberbefehl über das Heer und die Kriegsmarine
und in der Ausübung dieses Oberbefehls nicht nur zur Bekämpfung
äußerer Feinde, sondern, wenn es erforderlich ist, auch zur Voll-
streckung der Exekution gegen Bundesglieder, welche ihre verfassungs-
mäßigen Bundespflichten nicht erfüllen (Art. 19), und zur Aufrecht-
haltung der öffentlichen Sicherheit im Innern, wenn dieselbe in einem
Teile des Bundesgebietes bedroht ist, durch Erklärung desselben in
Kriegszustand (Art. 68).
4. Endlich hat der Kaiser die — dem Reiche zustehende — Staats-
gewaltin Elsaß-Lothringen auszuüben. Wenngleich das
Reichsland kein »Kaiserland« ist und der Kaiser die Staatsgewalt nicht
als Monarch besitzt, sondern sie als Organ des Reichs ausübt, so ist
doch die Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen etwas völlig
anderes als die nach der Reichsverfassung dem Kaiser zustehenden
»Präsidialrechte«. Die Präsidialbefugnisse haben keinen territorialen
Charakter, sind keine Staatsgewalt.e. Durch die Regierung des Reichs-
landes dagegen hat die Stellung des Kaisers eine territoriale
Fundierung erhalten; das Kaisertum als solches ist mit der Be-
herrschung eines bedeutenden Landes ausgestattet und dadurch ein
ganz anders geartetes Moment ihm hinzugefügt worden.
Das gleiche gilt von der Schutzgewalt in den deutschen
Schutzgebieten, welche der Kaiser im Namen des Reiches ausübt; auch
sie ist eine territoriale Staatsgewalt (siehe unten $ 70).
Zweiter Abschnitt.
Der Bundesrat*).
S 27. Allgemeine Erörterung seines Wesens.
Der Bundesrat ist die eigentümlichste Institution des Deutschen
Reiches. Man hat ihn vielfach angegriffen, weil er weder mit der her-
* Literatur. Seydel in v. Holtzendorff-Brentanos Jahrb. Bd. 3, S. 273 ff.
(1879); Zorn in v. Holtzendorffs Rechtslexikon I, S. 434; Hänel, Studien II,
Ss. 11fg.; Kliemke, Die staatsrechtl. Natur und Stellung des Bundesrates, Berlin
1894. Ferner die Lehrbücher von Rönnel, 8 21ff.; Zorn 1,86; G.Meyer 812%,
123; Schulze 8 256fg.; Arndt 8 17,18; Seydel, Kommentar S. 13l1ff.; Her-
wegen, Reichsverf. und Bundesrat. 1902 (Bonner Diss); Rosenberg in den
preuß. Jahrb. Bd. 109, S.420 fg.; v. Jagemann, Reichsverf. S.80 ff.; H.Reincke,