240 8 28. Die Staatenrechte im Bundesrate.
Kommissare abzuordnen, welche an den Beratungen des Bundesrats
und seiner Ausschüsse über diese Angelegenheiten (aber nicht an der
Beschlußfassung) Teil nehmen).
3. Der Bundesrat bietet keinen Raum für die Aufnahme von Ver-
tretern einzelner Bevölkerungsklassen oder von Individuen von her-
vorragender Stellung oder ausgezeichneten Verdiensten, sondern einzig
und allein von Vertretern von Staaten des Bundes. Darum ist z. B.
der Anspruch der ehemals reichsunmittelbaren Landesherren (der
sogenannten Mediatisierten oder Standesherren) auf eine Teilnahme
am Bundesrat nıit dem Wesen des letzteren gänzlich unvereinbar),
4. Die Stimmen der einzelnen Staaten im Bundesrate sind nach
demselben Verhältnis verteilt wie im ehemaligen Plenum des Bundes-
tages?) mit der alleinigen Ausnahme, daß Bayern statt vier Stimmen
sechs Stimmen erhalten hat‘).
Für Preußen ergeben sich daraus 17 Stimmen, indem es die »ehe-
maligen« Stimmen von Preußen (4), Hannover (4), Kurhessen (3),
Holstein-Lauenburg (3)°), Nassau (2) und Frankfurt (1) infolge der im
Jahre 1866 erfolgten Gebietserwerbungen vereinigt. Sachsen und Würt-
temberg führen je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg-Schwerin
und Braunschweig je 2 Stimmen, die übrigen 17 Staaten je eine Stimme;
so daß die Gesamtzahl der Stimmen 58 beträgt. So wenig es im
Bundesrate eine Stimme gibt, die nicht einem Mitglied des Bundes
angehört, so wenig gibt es ein Mitglied des Bundes, welchem eine
Stimme im Bundesrate versagt wäre.
Il. Die verfassungsmäßige Stimmenzahl im Bundesrate ist für je-
den deutschen Staat Inhalt eines subjektiven Rechts, dessen Ausübung
von seinerindividuellenWillensentschließung bestimmt
wird. |
Dieses Prinzip schließt eine ganze Reihe von wichtigen Konse-
quenzen in sich.
1. Zunächst bedarf die Frage einer Untersuchung, inwiefern dem
Rechte eines Einzelstaates auf eine Stimme im Bundesrate die Pflicht
entspricht, dieses Recht auch auszuüben und an den Beschlüssen des
1) Dieselben können auch im Verlaufe der Diskussion eines auf die Tagesord-
nung gesetzten Gegenstandes Anträge stellen und auch mit Referaten beauftragt
werden. Geschäftsordnung des Bundesrats $ 5.
2) Dies ist verkannt von Prof. Bischof. Denkschrift, betreffend das fürstl.
und gräfl. Gesamthaus Schönburg und dessen Anrecht auf Einräumung von Sitz
und Stimme im hohen Bundesrate des Norddeutschen Bundes, Gießen 1871.
3) Vgl. oben S. 132.
4) Dies ist also ein Sonderrecht (jus singulare) zu Gunsten Bayerns. Siehe
oben S. 121.
5) Das Holstein im ehemaligen Bundestage zukommende Stimmrecht beruhte
gemäß dem Protokoll der Bundesverf. vom 5. November 1816, 8 3, pro indiviso auch
auf Lauenburg. Dies ist der Grund, warum für Lauenburg, solange es mit dem
preuß. Staate nicht vereinigt war, im Bundesrate keine besondere Stimme geführt
wurde.