Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 28. Die Staatenrechte im Bundesrate. 247 
für unzulässig erachten, wenn in einer besonders wichtigen und das 
Interesse eines einzelnen Staates in hohem Grade berührenden Ange- 
legenheit die Regierung dieses Staates dadurch ihre Verantwortlichkeit 
zu erleichtern und sich zu decken sucht, daß sie vor Erteilung der 
Instruktion an den Bundesratsbevollmächtigten die Ansicht des Land- 
tages einholt und im Einverständnis mit demselben ihr Verhalten im 
Bundesrat bestimmt. Ja es kann dies unter Umständen für eine Re- 
gierung eine politische oder auch rechtliche Pflicht sein; jedenfalls 
steht das Reichsrecht in keiner Weise dem entgegen, daß in den ein- 
zelnen Staaten die Regierungen wichtige Staatsgeschäfte, zu denen die 
Erteilung der Instruktionen an die Bundesratsbevollmächtigten ge- 
hören kann, nur in Uebereinstimmung mit der Volksvertretung vor- 
nehmen !). 
Hiernach beantwortet sich auch die mehrfach erörterte Frage, ob 
es zulässig ist, daß durch ein Landesgesetz die Instruierung des Bun- 
desratsbevollmächtigten von der vorgängigen Zustimmung des Land- 
tages abhängig gemacht werde. 
Die Reichsverfassung selbst bestimmt darüber nichts. Sie begnügt 
sich mit der Abstimmung des Bevollmächtigten im Bundesrat, ohne 
die materiellen Voraussetzungen zu berühren, unter welchen der Be- 
vollmächtigte zur Abgabe seiner Stimme befugt sei. Das Reich ist 
weder berechtigt noch verpflichtet, zu prüfen, ob die Instruktion dem 
Staatsrecht des Einzelstaates gemäß erteilt oder dem politischen Inter- 
esse desselben entsprechend sei. Ganz unrichtig aber ist das argu- 
mentum a contrario, daß, weil das Reich über die materiellen Erfor- 
dernisse einer rechtsgültigen Instruktion keine Vorschriften aufstellt 
und sich überhaupt um dieselben nicht bekümmert, es den Einzel- 
staaten untersagt sei, für die Instruktionserteilung materielle Be- 
dingungen aufzustellen und insbesondere eine Mitwirkung der Land- 
tage anzuordnen ?). Die Reichsverfassung normiert lediglich die Ab- 
stimmung im Bundesrate, aber mit keinem Worte die Instruktions- 
erteilung, welche res interna jedes einzelnen Staates ist. Sie enthält 
daher auch weder ausdrücklich noch stillschweigend den Grundsatz, 
1) Tatsächlich kommen Verhandlungen in den Einzellandtagen über die von der 
Landesregierung im Bundesrat zu befolgende Richtung sehr häufig vor. 
2) Dies ist die Ansicht von Hänel, Studien I, S. 219; Seydel, Kommentar 
S. 132, 427 und im Jahrbuch a. a. O. S. 277; v. Sarwey Il, S.78ff. undG.Meyer 
& 123, Note 10. Daselbst weitere Literaturangaben. Sie stützen ihre Behauptung 
darauf, daß die Bundesratsbevollmächtigten nicht Vertreter der Staaten, sondern 
nur der Regierungen seien, eine Unterscheidung, die ich nicht als zutreffend 
anerkennen kann. Nach Art. 6 der RV. besteht der Bundesrat aus Vertretern der 
Mitglieder des Bundes; Mitglieder des Bundes sind dieStaaten, welche durch die 
Landesherren als ihre Organe die Mitgliedschaft ausüben. Die Art und Weise, Be- 
dingungen, Formen, Beschränkungen der Ausübung der Staatsgewalt bestimmen sich 
nach dem Landesrecht, und die RV. macht für die Ausübung der Mitgliedschaft im 
Bundesrat keine Ausnahme, also entscheidet auch hierfür das Recht des Einzelstaa- 
tes. Siehe oben S. 98.
	        
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