Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

252 8 28. Die Staatenrechte im Bundesrate. 
Autonomie über das gesamte Zollwesen und die in diesem Artikel 
aufgeführten Steuern verloren. Auch eine Erhöhung der Biersteuer 
ist eine auch für die drei süddeutschen Staaten gemeinschaftliche An- 
gelegenheit; denn da eine solche Maßregel eine Erhöhung der von 
ihnen zu zahlenden Aversa zur Folge hat, sind sie daran unmittelbar 
mitbeteilig. Ebensowenig ist das Stimmrecht Bayerns in Angelegen- 
heiten des Heerwesens ausgeschlossen, da der vom Reiche aufgestellte 
Militäretat auch die für das bayerische Kontingent zu verwendenden 
Geldbeträge, wenngleich in einer Gesamtsumme, festsetzt und für die 
Verwendung dieser Geldsumme die Ansätze des Reichsetats zur Richt- 
schnur dienen !), und weil auch im übrigen Bayern verpflichtet ist, 
in Bezug auf Organisation, Formation, Ausbildung und Gebühren und 
hinsichtlich der Mobilmachung volle Uebereinstimmung mit den für 
das Bundesheer bestehenden Normen herzustellen ?). 
III. Dadurch, daß in dem Bundesrate die einzelnen deutschen 
Staaten als Individuen zur Geltung kommen und die Bundesratsmit- 
glieder die Stellung von bevollmächtigten Geschäftsträgern der Regie- 
rungen der Bundesstaaten haben, ergibt sich, daß der Bundesrat den 
Gliedern des Reiches sehr wesentliche Dienste ls Kommunika- 
tionsmittel zu leisten vermag. Die deutschen Regierungen müssen 
untereinander in fortwährendem Meinungsaustausche stehen; sie müssen 
über alle Fragen des Staatslebens, welche in die Kompetenz der Reichs- 
gewalt einschlagen oder Gesamtinteressen des Reiches berühren, ihre 
Ansichten und Absichten sich gegenseitig mitteilen. Nur dadurch kann 
es verhütet werden, daß einzelne Staaten oder Staatengruppen eine 
Sonderpolitik treiben, daß Meinungsdifferenzen zu Konflikten ausarten, 
daß unter den Regierungen Mißtrauen und Verdächtigungen aufkommen 
und daß der Zwang der Majoritätentyrannei an die Stelle aufrichtiger 
Verständigung und freudigen Zusammenwirkens tritt?). Aus den Zeiten 
des Staatenbundes ist aber eine Einrichtung übernommen worden, 
welche dem Begriff und Wesen des einheitlichen Bundesstaates nicht 
recht entspricht, nämlich der diplomatische Verkehr unter den 
Bundesgliedern durch ständige Gesandtschaften. Bismarck hielt 
den Fortbestand dieser Gesandtschaften für unentbehrlich, um Meinungs- 
verschiedenheiten unter den Bundesregierungen auszugleichen ?). 
In einer speziellen Richtung hat die Fähigkeit des Bundesrates, 
den Regierungen als Kommunikationsmittel zu dienen, eine Verwertung 
und verfassungsmäßige Regelung gefunden, durch die Bildung des 
1) Staatsmin. Delbrück.a.a. O. S. 122. 
2) Bayer. Bündnisvertrag III, 85 sub III, Abs. 2. (Reichsgesetzbl. 1871, S. 20.) 
3) Hierauf beruht es, daß, obwohl rechtlich der Bevollmächtigte nach der von 
seiner Regierung ihm erteilten Instruktion zu stimmen hat, tatsächlich er bis- 
weilen durch seine Berichte die Entschließungen seiner Regierung beeinflussen kann, 
so daß er mehr seine Regierung instruiert, als er von ihr instruiert wird. 
4) In der Sitzung des Preuß. Abg.-Hauses v. 9. Dez. 1867. Stenogr. Ber. S. 244. 
Vgl. meine Ausf. im Jahrb. des öff. R. Bd. I, S. 20 fg.
	        
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