Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 17 
selbst, falls er nicht schon vorher durch Gründung eines dauernden 
Bundesverhältnisses erledigt wurde'). 
Die Pflichten, welche die Kontrahenten gegen einander übernahmen, 
lassen sich auf zwei Punkte zurückführen. 
1. Sie schlossen ein Offensiv- und Defensivbündnis zur Erhaltung 
der Unabhängigkeit und Integrität, sowie der inneren und äußeren 
Sicherheit ihrer Staaten (Art. I) und stellten ihre Truppen unter den 
Oberbefehl des Königs von Preußen, mit dem Vorbehalt, daß die 
Leistungen während des Krieges durch besondere Verabredungen ge- 
regelt werden (Art. VD). 
2. Sie verpflichteten sich, die Zwecke des Bündanisses definitiv durch 
eine Bundesverfassung sicher zu stellen (Art. II) und vereinbarten in 
dieser Beziehung vier Sätze: 
a) Die preußischen Grundzüge vom 10. Juni 1866 sollten die Basis 
der Bundesverfassung bilden (Art. II). 
b) Die Verfassung sollte unter Mitwirkung eines gemeinschaftlich 
zu berufenden Parlaments festgestellt werden (Art. IJ). 
c) Zur Erreichung dieses Zweckes versprachen die Regierungen, 
gleichzeitig mit Preußen die auf Grund des Reichswahlgesetzes 
vom 12. April 1849 vorzunehmenden Wahlen der Abgeordneten 
zum Parlament anzuordnen und letzteres gemeinschaftlich mit 
Preußen einzuberufen (Art. V). 
d) Sie verpflichten sich, Bevollmächtigte nach Berlin zu senden, 
um nach Maßgabe der Grundzüge vom 10. Juni den Entwurf 
der Bundesverfassung festzustellen, welcher dem Parlament zur 
Beratung und Vereinbarung vorgelegt werden sollte (Art. V). 
Außerdem enthielt der Vertrag nur noch die Bestimmung, daß alle 
unter den Verbündeten bestehenden Verträge und Uebereinkünfte in 
Kraft bleiben, soweit sie nicht durch dieses Bündnis selbst ausdrück- 
lich modifiziert werden (Art.) IH). 
Abgesehen von der für ein Jahr geschlossenen Offensiv- und Defensiv- 
allianz verpflichten sich demnach die Kontrahenten zu einer ein- 
maligen Leistung, zu einer, ihrer Natur nach nicht wiederkehren 
könnenden Handlung, nämlich zur Herstellung einer Bundesver- 
fassung. Sie gründen nicht einen Bund, sondern sie verpflichten sich, 
einen Bund zu gründen; sie vereinbaren nicht eine Verfassung, sondern 
sie vereinbaren einen Modus behufs Feststellung einer Verfassung?). 
Der Art. X der Bundesakte behielt der Bundesversammlung die 
Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Ein- 
richtung vor oder — nach dem Wortlaute der Wiener Schlußakte vom 
15. Mai 1820 — die deutschen Staaten übernahmen die Verpflichtung, 
den Bestimmungen der Bundesakte »eine zweckmäßige Entwicklung« 
  
1) Vgl. die Rede des Fürsten Bismarck in der Reichstags-Sitzung vom 4. März 
1867 (Stenogr. Berichte S. 41). 
2) Hänel, Studien I, S. 69 ff.; Zorn I, S. 20 fg.
	        
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