Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

S 29. Der Bundesrat als Organ des Reiches. 261 
Reiches, die über den Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten stehende 
Kontrollbehörde, welche in ähnlicher Weise wie ein Verwaltungs- 
gerichtshof dafür Sorge trägt, daß die den Einzelstaaten überlassene 
Selbstverwaltung in Zoll- und Steuersachen nicht zu ungleichartiger 
Auslegung und Handhabung der Reichsgesetze führt. Dem Kaiser, 
bezw. den von ihm ernannten Reichsbeamten, insbesondere dem 
Reichskanzler, liegt es dann wieder ob, die Befolgung der vom Bundesrat 
getroffenen Entscheidungen seitens der Landesbehörden zu veranlassen 
und zu überwachen. Vgl. oben $ 11 S. 113. 
Bei der Redaktion der Reichsverfassung, welche bei den Verhand- 
lungen in Versailles mit den süddeutschen Staaten vereinbart worden 
ist, wurde im Anschluß an die im Zollvereinsvertrage enthaltene Be- 
stimmung der Art. 7 über die der Beschlußfassung des Bundesrates 
unterliegenden Angelegenheiten festgestellt, der in der jetzigen Redaktion 
wiederkehrt. 
Schon vor dem Abschluß der Verträge mit den süddeutschen 
Staaten hatte sich im Norddeutschen Bunde die Praxis Eingang ver- 
schafft, daß Zweifel über die Anwendung von Reichsgesetzen und Be- 
denken, welche bei Handhabung derselben entstanden, dem Bundesrate 
zur Beschlußfassung vorgelegt wurden. Bei der Generaldebatte über 
diese Verträge im Reichstage von 1870 konnte daher Staatsminister 
Delbrück nicht ohne Grund von der neuen Formulierung des Art. 7 
sagen'), daß »sie eine ins Gewicht fallende materielle Bedeutung nicht 
habe«. Er fügte hinzu: 
»Es wurde Wert gelegt auf die Zusammenfassung, um an einem 
Ort klar zu stellen die eigentlichen Zuständigkeiten des Bundes- 
rates, deren Ergründung aus der Bundesverfassung selbst nicht 
ohne ein gewisses Studium möglich war. Eine materielle Aen- 
derung des Bestehenden ist damit kaum herbeigeführt. 
Wenn nach dieser Aussage demnach tatsächlich die Befugnisse 
des Bundesrates durch Art. 7, Ziff. 3 der Reichsverfassung nicht wesent- 
lich erweitert worden sind, so ist doch unzweifelhaft, daß sie dadurch 
erst ein staatsrechtliches Fundament erhalten haben, welches nach der 
norddeutschen Bundesverfassung nur in bezug auf Zoll- und Steuer- 
angelegenheiten vorhanden war. 
Die Tragweite dieser Bestimmung zeigt sich namentlich in dem 
Verhältnis des Bundesrates zum Kaiser und seinem Minister, dem 
Reichskanzler. Nach Art. 17 der Reichsverfassung steht dem Kaiser 
die Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze zu. Nach dem 
Ursprunge des Art. 7 in dem Zollvereinsvertrage und dem Art. 37 der 
norddeutschen Bundesverfassung kann es nun keinem Zweifel unter- 
liegen, daß Art. 7, Ziff. 3 sich zu Art. 17 gerade ebenso verhält, wie 
der dritte Absatz des Art. 36 zu dem zweiten Absatz desselben Artikels, 
1) II. außerord. Sess. 1870. Stenogr. Ber. S. 68.
	        
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