8 29. Der Bundesrat als Organ des Reiches. 265
Die Feststellung des Reichshaushaltsetats in der dem Reichstage
vorzulegenden Gestalt, sowie die Beschlußfassung über die von dem
Reichstage vorgenommenen Abänderungen, ferner die Genehmigung
einer Anleihe, sowie der Uebernahme einer Garantie zu Lasten des
Reiches steht dem Bundesrate zu, weil der Weg der Gesetzgebung
vorgeschrieben ist. Der Bundesrat hat aber überdies die Abrechnun-
gen der Einzelstaaten über die von ihnen für Rechnung des Reiches
erhobenen Zölle und Abgaben zu prüfen und den von der Kasse jedes
Bundesstaates der Reichskasse schuldigen Betrag festzustellen (Art. 39).
Der Bundesrat ist auch in dieser Hinsicht an die Stelle der ehemaligen
Generalzollkonferenz getreten !).
Ferner ist der Reichskanzler verpflichtet, über die Verwendung
aller Einnahmen des Reiches dem Bundesrate zur Entlastung jährlich
Rechnung zu legen (Art. 72). In Durchführung des Prinzips, daß die
Finanzangelegenheiten des Reiches zur Kompetenz des Bundesrates
gehören, hat das Gesetz vom 29. Juni 1868, $ 4 (Bundesgesetzbl. S. 339)
bestimmt, daß drei Mitglieder des Bundesrates zur Bundesschulden-
kommission gehören, und im $ 7 dieselben Verpflichtungen der Bun-
desschuldenkommission dem Bundesrate und Reichstag gegenüber auf-
erlegt, welche der preußischen Staatsschuldenkommission dem preußi-
schen Landtage gegenüber obliegen. Die Reichsschuldenordn. vom 19.
März 1900 8 12 Abs. 2 hat dies dahin abgeändert, daß zur Reichs-
schuldenkommission sechs Bundesratsbevollmächtigte oder stellvertre-
tende Bevollmächtigte gehören, welche der Bundesrat jährlich wählt.
Der Bundesrat ernennt ferner drei Mitglieder des Reichsbankkurato-
riums. Bankgesetz 8 23.
Ferner kann der Kaiser über den Reichskriegsschatz nur unter
vorgängig oder nachträglich einzuholender Zustimmung des Bundes-
rates verfügen; seine Anordnungen über Verwaltung des Reichskriegs-
schatzes unterliegen der Zustimmung des Bundesrates und die Reichs-
schuldenkommission hat jährlich dem Bundesrate über den Bestand
des Reichskriegsschatzes Bericht zu erstatten. Gesetz vom 11. Novem-
ber 1871, 8$ 1, 3 (Reichsgesetzbl. S. 4032).
Auch die vom Reichskanzler zu erlassenden Verfügungen über die
Ausprägung von Goldmünzen sind an die Zustimmung des Bundesrats
geknüpft. Gesetz vom 4. Dezember 1871, 8 6, Abs. 2 (Reichsgesetzbl.
S. 405).
Das Bankgesetz 88 36, 40, 41, 44, 47 legt dem Bundesrate eine
höchst umfassende Zuständigkeit bei.
Einnahmen aus der Veräußerung entbehrlich werdender Festungs-
grundstücke oder anderer im Besitz der Reichsverwaltung befindlicher
Grundstücke dürfen nur unter Genehmigung des Bundesrates veraus-
1) Zollvereinsvertrag vom 16. Mai 1865, Art. 34 sub b.
2) Dasselbe gilt von dem Bericht über die Verwaltung des Reichsinvalidenfonds.
Gesetz vom 23. Mai 1873, 8 14 (Reichsgesetzbl. S. 121).