Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrates. 283 
Geheimhaltung der Behandlung einzelner Gegenstände beschließen ; 
die auf solche Angelegenheiten sich beziehenden Drucksachen erhalten 
die Bezeichnung »geheim«. Die mündlichen Verhandlungen des 
Bundesrates und der Ausschüsse sind, auch wenn die Geheimhaltung 
nicht ausdrücklich angemeldet ist, geheim zu behandeln !). 
Nicht für die Oeffentlichkeit bestimmte Abdrücke der Protokolle 
werden für den Gebrauch der Reichs- und Landesbehörden angefertigt. 
Sie sind in Paragraphen abgeteilt, welche immer durch ein Jahr fort- 
laufende Nummern haben. Sie führen den Titel: 
Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrates des Deut- 
schen Reiches. Session ....... Berlin. Geh. Oberhofbuchdruckerei. Fol. 
Dazu gehört eine Sammlung der Anträge, Motive, Berichte und 
anderen Anlagen, welche in derselben Ausstattung wie die Protokolle 
erscheint unter dem Titel: 
Drucksachen zu den Verhandlungen des Bundesrates des Deut- 
schen Reiches. Session .... Berlin. Geh. Oberhofbuchdruckerei. Fol. 
Die auf Elsaß-Lothringen bezüglichen Verhandlungen werden be- 
sonders gesammelt und gedruckt mit besonderer Zählung der Bundes- 
ratssitzungen und der Paragraphen der Protokolle. 
IV. Ueber die Beschlußfassung des Bundesrates gilt im 
allgemeinen die Regel?), daß dieselbe mit einfacher Mehrheit 
erfolgt und daß bei der Stimmengleichheit die Präsidialstimme ent- 
scheidet, d. h. daß dasjenige Votum zum Beschluß erhoben ist, für 
welches die Stimmen Preußens sich erklärt haben’). 
Bei der Berechnung der Majorität kommen nur die wirklich 
abgegebenen Stimmen in Betracht. Es werden daher nicht gezählt 
die Stimmen der Staaten, welche im einzelnen Falle nicht stimm- 
berechtigt sind, wenn über eine Angelegenheit zu beschließen ist, welche 
nach den Bestimmungen der Verfassung nicht dem ganzen Reiche 
gemeinschaftlich ist, und ferner diejenigen Stimmen, welche nicht ver- 
treten oder nicht instruiert sind. 
Von dem Grundsatz, daß die einfache Stimmenmehrheit entscheidet, 
gibt es aber zwei Ausnahmen‘): 
1) Rev. Geschäftsordn. $& 26. 2) Reichsverfassung Art. 5. 
3) v. Mohl S. 236 nimmt an, daß, wenn an einer Beschlußfassung gar kein 
preußischer Bevollmächtigter teilnimmt, so daß Bayern den Vorsitz in Vertretung 
führt, die bayerischen Stimmen im Falle der Stimmengleichheit den Ausschlag geben. 
Dies ist zweifellos unrichtig. Denn das Schlußprotokoll Ziff. 9 spricht nur von dem 
Vorsitz im Bundesrate, nicht von einer stellvertretenden Ausübung anderer Präsidial- 
rechte. Die „Präsidialstimme“ ist nicht identisch mit der Stimme des Vorsitzenden 
im Bundesrate, sondern mit der Stimme des Bundespräsidiums, d. i. Preußens. 
Vgl. S. 217, 238. Uebereinstimmend Seydel, Jahrb. S. 281, Note 2; Meyer8 124, 
Note 13. 
4) Art. 78, Abs. 2 bildet keine Ausnahme von den Regeln über die Beschluß- 
fassung des Bundesrates. Die Zustimmung des einzelnen Bundesstaates zur Aufhebung 
eines ihm zustehenden Sonderrechts ist ein neben dem Bundesratsbeschluß stehen-
	        
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