20 8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes.
gegebenen Beispiele folgend, nicht ohne erhebliche Modifikationen des
Reichswahlgesetzes von 1849!); und in der überwiegenden Mehrzahl
wurde dem zu wählenden Reichstage nur die Befugnis zur »Beratung«
der Verfassung erteilt.
Es konnte mithin die eine der im Art. V des Augustbündnisses
übernommenen Verpflichtungen, die Parlamentswahlen anzuordnen
und das Parlament gemeinsam einzuberufen, von allen Staaten erfüllt
werden.
Ebenso wurde die zweite daselbst stipulierte Vereinbarung aus-
geführt. Bevollmächtigte Vertreter aller verbündeten Staaten traten
auf Grund von Einladungsschreiben, welche die preußische Regierung
am 21. November erlassen hatte, am 15. Dezember 1866 in Berlin zu
Konferenzen zusamınen, um einen Entwurf einer Verfassung zu ver-
einbaren.
Fürst Bismarck legte namens der preußischen Regierung einen
Entwurf vor?), welcher eine weitere Ausführung der Grundzüge vom
10. Juni 1866 war und im Hinblick auf die letzteren als der zweite
Entwurf der Verfassung bezeichnet werden kann. Die Verhandlungen
über diesen Entwurf waren vertrauliche; über die Diskussion der
einzelnen Artikel und die von den Regierungen gestellten Amendements
sind Protokolle nicht veröffentlicht worden ?). Dagegen sind die Resul-
tate der Beratungen in der Form von Protokollen festgestellt und
publiziert worden. Es gibt vier solcher Protokolle.
Das erste vom 18. Januar 1867) über die »erste förmliche Sitzung«
konstatiert den einstimmigen Beschluß der Bevollmächtigten, daß die
Krone Preußen dem einzuberufenden Reichstage gegenüber zur ein-
heitlichen Vertretung der verbündeten Regierungen ermächtigt und zur
Ausübung der in Art. XIV und XXV des Entwurfs erwähnten Rechte
(Einberufung, Eröffnung, Vertagung, Schließung, Auflösung des Reichs-
tages) befugt sein solle.
1) Eine vollständige Sammlung aller dieser Wahlgesetze und der zu ihrer Aus-
führung ergangenen Verordnungen und Reglements enthält das zweite Heft des ersten
Bandes von Glaser’s Archiv des Norddeutschen Bundes.
2) Die Abweichungen des Entwurfs von dem dem Reichstag vorgelegten wurden
veröffentlicht von Hänelin den Studien zum deutschen Staatsrecht (Leipzig 1873)
IS. 270 ff.; über den Entwurf brachte aber bereits die Provinzialkorrespondenz vom
19. Dezember 1866 ausführliche Mitteilungen. Vgl.Hahn S. 483—485. Der vollstän-
dige Wortlaut dieses Entwurfs ist abgedruckt als Beilage zu der kleinen Schrift von
Kittel, Die preuß. Hegemonie. München 1896. S. 40 ff.
3) In der Sitzung des Reichstags vom 10. März 1886, bei Gelegenheit einer De-
batte über Art. 30 der Reichsverfassung, machte der Staatssekretär v. Bötticher
die Mitteilung, daß außer den veröffentlichten Regierungsvorlagen und Kommissions-
berichten noch andere (bisher nicht bekannt gemachte) Akten über die Entstehung
der Verfassung existieren und die letztere eine noch weiter zurückgehende Ent-
stehungsgeschichte habe. Vgl. v. Sybel Bd. VIS.24ff. u. Anschütz in Meyers
Staatsr. (6. Aufl.) 8 64 Note 6.
4) Stenogr. Berichte des verfassungsber. Reichstags. Anlage Nr. 8und 10; Hahn
S.486; Glaser I, 3, S.1; Staatsarchiv XII, 2725 (S. 353).