Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

312 S 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 
Das Verfahren in Entmündigungssachen ist in der Zivilprozeßordnung 
8 645 ff. geregelt. 
b) »Personen, über deren Vermögen der Konkurs gerichtlich er- 
öffnet worden ist, und zwar während der Dauer des Konkursverfahrens.« 
Da der Ausschluß der Wahlberechtigung abhängig ist von der Dauer 
des Verfahrens, so ergibt sich, daß die Wahlberechtigung wieder auflebt 
nicht bloß in dem Falle, daß der Konkurs durch Befriedigung der 
Gläubiger oder durch Akkord beendigt wird, sondern auch dann, wenn 
das Verfahren wegen gänzlichen Mangels einer Aktivmasse eingestellt 
wird oder das vorhandene Aktivvermögen vollständig zur Verteilung 
gebracht ist!. Auch eine Verurteilung wegen Bankerotts ändert hieran 
nichts, wenn durch dieselbe nicht zugleich die bürgerlichen Ehrenrechte 
aberkannt sind, was nach den Vorschriften der Konkursordnung vom 
20. Mai 1898 8 239 fg. zulässig ist. 
c) »Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen 
oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorher- 
gegangenen Jahre bezogen haben« ?). 
d) »Personen, denen infolge rechtskräftigen Erkenntnisses der 
Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist, für die Zeit der 
Entziehung, sofern sie nicht in diese Rechte wieder eingesetzt sind.< 
Vgl. Reichsstrafgesetzbuch 8 34, Nr. 4. 
Von dieser Bestimmung ist aber hinsichtlich der Zeitdauer eine 
Ausnahme gemacht, wenn der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte 
wegen politischer Vergehen oder Verbrechen entzogen 
ist. Alsdann tritt die Berechtigung zum Wählen wieder ein, sobald 
die außerdem erkannte Strafe vollstreckt oder durch Begnadigung 
erlassen ist?. Für das Verständnis der Gründe, aus denen diese Aus- 
nahme hinzugefügt worden ist, kommt die Tatsache in Betracht, daß 
das Wahlgesetz vor dem Strafgesetzbuch erlassen worden ist und 
nahme an der Wahl sollen alle Personen ausgeschlossen sein, welche unfähig sind, 
ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen; die Pflegschaft des Bürgerlichen Gesetz- 
buches enthält aber keine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit. Vgl. Endemann, 
Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts Bd. Il, 2, S. 847 (8. u. 9. Aufl. 1908). 
1) Unter Umständen ist der Gemeinschuldner, der gar keine Aktiva besitzt, in 
dieser Hinsicht daher besser daran, wie derjenige, dessen Gläubiger volle Befriedigung 
erhalten, jedoch erst nach Beendigung einer langwierigen Liquidation. Gegen die 
Bestimmung überhaupt spricht sich v. Mohla. a. O. S. 20 aus. 
2) Die Zweifel, welche Mittel als öffentliche Armenunterstützung anzusehen seien, 
sind erledigt durch das RG. v. 15. März 1909 (Reichsgesetzbl. S. 319). Es bestimmt, 
daß als Armenunterstützung nicht anzusehen sind: 1) die Krankenunterstützung; 
2) die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte 
Anstaltspflege; 3) Unterstützungen zum Zwecke der Jugendfürsorge, der Erziehung 
oder der Ausbildung für einen Beruf; 4) sonstige Unterstützungen, wenn sie nur in 
der Form vereinzelter Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt 
sind; und 5) Unterstützungen, die erstattet sind. Vgl. Rosenmeyer im Arch. f. 
öffentl. R. Bd. 24, S. 163. 
3) Wahlgesetz $ 3, Ziff. 4, Abs. 2.
	        
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