Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

316 S 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 
Träger der souveränen Reichsgewalt zugleich Mitglieder des Reichs- 
tages sein können !}). 
Il. Die Zahl der Mitglieder des Reichstages bestimmt 
sich durch den Grundsatz, daß in jedem Bundesstaate auf je 100 000 
Seelen der Bevölkerungszahl ein Abgeordneter gewählt wird. Diese 
prinzipielle Regel erleidet aber folgende Modifikationen: 
1. Da niemals ein Wahlkreis Gebiete verschiedener Staaten um- 
faßt?, so wird in einem Bundesstaate, dessen Bevölkerung 100 000 
Seelen nicht erreicht, Ein Abgeordneter gewählt. Aus demselben Grunde 
wird ein UeberschußB von mindestens 50000 Seelen der Gesamtbe- 
völkerung eines Bundesstaates vollen 100 000 Seelen gleichgerechnet, 
während ein Ueberschuß von weniger als 50000 Seelen unberück- 
sichtigt bleibt °). 
2. In den zum ehemaligen Norddeutschen Bunde gehörigen Staa- 
ten bleibt bis auf weitere gesetzliche Anordnung für die Zahl der Ab- 
geordneten diejenige Bevölkerungszahl maßgebend, welche den Wahlen 
zum verfassungsgebenden Reichstage zugrunde gelegen hat. Wahlgesetz 
8 5, Abs. 1. 
Infolge dieser Bestimmung ist für jeden Staat die in demselben 
zu wählende Zahl von Abgeordneten fixiert, d. h. nicht von dem Re- 
sultate der periodischen Volkszählungen abhängig. Für die Staaten 
des Norddeutschen Bundes enthält $ 5, Abs. 2 des Wahlgesetzes das 
Register der auf sie kommenden Zahlen); die Gesamtsumme der Ab- 
geordneten betrug im Norddeutschen Bunde 297. 
3. Diesen im Norddeutschen Bunde zur Geltung gelangten Grund- 
sätzen entsprechend ist auch für die süddeutschen Staaten und Elsaß- 
Lothringen die Zahl der in diesen Gebieten zu wählenden Abgeordne- 
ten fixiert worden; für die süddeutschen Staaten im Art. 20, Abs. 2 der 
Reichsverfassung auf zusammen 85°), für Elsaß-Lothringen in dem 
Reichsgesetz vom 25. Juni 1873, 8 3 auf 12. 
. 1) Da der Kaiser zugleich König von Preußen ist, ergibt sich die Verneinung 
der Frage, ob derselbe wählbar sei. Es ist dies nicht ganz ohne praktische Wichtig- 
keit; denn wenn es auch höchst unwahrscheinlich ist, daß jemals ein Wahlkreis den 
Kaiser oder einen Landesherrn wählen wird, so könnte doch eine Anzahl von Stimm- 
zetteln für ihn abgegeben werden, und es kann von Bedeutung für das Wahlresultat 
werden, ob diese Stimmzettel als ungültig zu erklären oder bei der Berechnung 
der absoluten Majorität mit in Ansatz zu bringen sind. Vgl. Stenogr. Berichte des 
Reichstages 1874/75, S. 578; Drucksachen 1877, Bd. 3, S. 517, 521; 1879, Bd. 6, S. 1520; 
SeydelsS. 359, Note 1. Die Senatoren der freien Städte dagegen sind wählbar, 
wie G. Meyer $ 129 richtig bemerkt. 
2) Siehe oben S. 295. 3) Wahlgesetz $ 5, Abs. 1. 
4) Nämlich Preußen (mit Lauenburg) 236, Sachsen 23, Hessen 3, Mecklenburg- 
Schwerin 6, Sachsen-Weimar 3, Mecklenburg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunschweig 3, 
Sachsen-Meiningen 2, Sachsen-Altenburg 1, Sachsen-Koburg-Gotha 2, Anhalt 2, Schwarz- 
burg-Rudolstadt 1, Schwarzburg-Sondershausen 1, Waldeck 1, Reuß ä. L. 1, Reuß j. 
L. 1, Schaumburg-Lippe 1, Lübeck 1, Bremen 1, Hamburg 3. 
5) Es werden in Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich 
des Mains 6 Abgeordnete gewählt. 
 
	        
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