330 8 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
Es ist in der wegen Vornahme der engeren Wahl zu erlassenden Be.
kanntmachung ausdrücklich darauf hinzuweisen '!).
Tritt bei der engeren Wahl Stimmengleichheit ein, so entscheidet
das Los, welches durch die Hand des Wahlkommissars gezogen wird 2),
7. Von dem Resultat der Wahl ist der Gewählte durch den Wahl-
kommissar in Kenntnis zu setzen und zugleich aufzufordern:
a) über die Annahme der Wahl sich zu erklären,
b) nachzuweisen, daß er nach Maßgabe des Gesetzes wählbar sei.
Dem Gewählten steht eine Ueberlegungsfrist von acht Tagen zu,
welche von der Zustellung der Benachrichtigung an läuft. Der Nach-
weis der Wählbarkeit ist für den Erwerb der Reichstagsmitglied-
schaft nicht wesentlich; derselbe kann, wenn die Wählbarkeit bestritten
werden sollte, noch nachträglich geführt werden. Dagegen muß die
Erklärung der Annahme eine ausdrückliche sein; das Ausbleiben einer
Erklärung bis zum Ablauf der Frist gilt als Ablehnung’?).. Die Annahme
muß ferner eine uneingeschränkte sein; Annahme unter Protest oder
Vorbehalt gilt ebenfalls als Ablehnung‘).
Im Falle der Ablehnung oder Ungültigkeitserklärung der Wahl
ist von der zuständigen Behörde sofort eine neue Wahl zu veran-
lassen °).
8. Die gesamten Kosten des Wahlverfahrens werden von den
Gemeinden getragen. Ausgenommen sind allein die Kosten für die
Druckformulare zu den Wahlprotokollen der Wahlbezirke und die
Kosten für die Ermittlung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen,
welche den Bundesstaaten zur Last fallen °).
VII. Vorschriften zurSicherung derAusübung des
Wahlrechts.
Unter diesen Gesichtspunkt fällt eine Anzahl von Rechtssätzen,
1) Wahlreglement $ 30, Abs. 2.
2) Wahlgesetz $ 12, Abs. 2. Wahlreglement 8 32.
3) Dem Reichstage bleibt es aber allerdings unbenommen, eine verspätete An-
nahmeerklärung noch als wirksam anzusehen. Anderer Ansicht Seydel S. 384,
Note 2. Indes es kann vorkommen, daß die Annahmeerklärung ohne Verschulden des
Gewählten verspätet beim Wahlkommissar eintrifft, z. B. wegen einer Verkehrsstörung,
eines Versehens der Post u. dgl., oder daß der Gewählte durch Krankheit, Abwesen-
heit oder andere zufällige Umstände an der rechtzeitigen Absendung gehindert war,
ohne daß die achttägige Frist erheblich überschritten worden ist. Soll nun der Reichs-
tag genötigt sein, eine im übrigen unanfechtbare Wahl deshalb zu kassieren, weil die
Annahmeerklärung wegen solcher Ursachen erst am neunten oder zehnten Tage beim
Wahlkommissarius eingetroffen ist? Selbst das Zivilrecht läßt doch vielfach bei Frist-
versäumnissen eine restitutio propter justam causam zu, und bei der Kassierung einer
Wahl handelt es sich doch nicht bloß um das Recht des Gewählten, sondern um die
Kosten, Mühen, politischen Kämpfe u. s. w., welche mit der Veranstaltung einer neuen
Wahl verknüpft sind.
4) Wahlreglement $ 33.
5) Wahlreglement $ 34. Ueber Wahlverzögerungen vgl. Stenogr. Berichte 1882/83,
S. 40 ff.
6) Wahlgesetz 8 16.