Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

372 8 39. Begriff und System der Reichsbehörden. 
gericht, das Bundesamt für das Heimatwesen, die entscheidenden 
Disziplinarbehörden, die Verwaltung des Invalidenfonds u. s. w.; auf 
einer mittelbaren gesetzlichen Grundlage die Reichszollkontrollbehörden, 
die Post- und Telegraphenbehörden, die Bankstellen, die Gesandt- 
schaften, Konsulate u. s. w. 
Ist nun in einem Gesetze die Errichtung einer oder mehrerer be- 
stimmter Behörden angeordnet, so daß unmittelbar durch Verfügung 
die Bildung derselben erfolgen kann, so gehört es zu der Machtvoll- 
kommenheit des Kaisers, die Behörden in das Leben zu rufen, da 
es sich in diesem Falle lediglich um die Ausführung eines Verwaltungs- 
geschäftes handelt!). Wenn dagegen nur mittelbar durch Reichsgesetze 
die Bildung von Behörden angeordnet ist, insofern die letzteren zur 
Ausführung der Reichsgesetze erforderlich sind, so tritt die Regel in 
Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung ein, daß der Bundesrat beschließt 
»über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen 
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen«. Die Errichtung 
von Behörden gehört zu den zur Ausführung der Reichsgesetze er- 
forderlichen Einrichtungen. Die Verfügung des Kaisers, welche eine 
solche Behörde in das Leben ruft, setzt daher außer der mittelbaren 
Grundlage, welche das Gesetz gibt, die unmittelbare Grundlage eines 
Bundesratsbeschlusses (Ausführungsverordnung) voraus?). 
Da die Regel des Art. 7, Ziff. 2 aber nur eintritt, »sofern nicht 
durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmit ist«, so ergibt sich, daß die 
Befugnis des Bundesrates ausgeschlossen sein und daß dem Kaiser das 
Recht, Reichsämter — innerhalb der durch das Finanzrecht gezogenen 
Schranken — zu errichten, zwar zustehen kann, daß dies aber eine 
besondere gesetzliche Bestimmung erfordert. Eine solche ist z. B. 
enthalten im Art. 53 der Reichsverfassung hinsichtlich der Marine, 
ferner in Art. 48, Abs. 2 verbunden mit Art. 50, Abs. 2 hinsichtlich 
der Post- und Telegraphenbehörden, im Art. 11 hinsichlich der Be- 
glaubigung von Gesandten; ferner wohl auch in dem Gesetz wegen 
1) Vorausgesetzt, daß die erforderlichen Geldmittel durch den Etat oder ein 
besonderes Gesetz bewilligt sind. Ein Beispiel bietet die Errichtung des Kanalamtes. 
Nachdem die Kosten derselben durch den Nachtragsetat für 1895/96 Kapitel 13c (Reichs- 
gesetzbl. 1895, S. 244) bewilligt worden waren, wurde es durch die Kaiserl. Verord- 
nung vom 15. Juni 1895 (Reichsgesetzbl. S. 349) errichtet. 
2) So kann z. B. der Kaiser außer den gesetzlich angeordneten Disziplinarkam- 
mern auch noch andere „im Einvernehmen mit dem Bundesrat“ errichten. Gesetz 
vom 31. März 1873, $ 87. Ferner bestimmt der Bundesrat die Plätze, an denen Reichs- 
bankhauptstellen zu errichten sind. Bankgesetz vom 14. März 1875, 8 36 u. s. w.; 
LöningS.56; Meyer 8 165, Note 9; Harseim a.a. O.S. 40 schreiben dem 
Kaiser das Recht zur Organisation der Reichsbehörden allgemein zu, setzen sich 
aber dadurch mit dem Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung in Widerspruch. Die rich- 
tige Ansicht führt Ad. Arndt, Das Verordnungsrecht (1884) S. 152 ff. aus. Auch 
Zorn hat sich ihr in der 2. Auflage I, S. 2931 angeschlossen. Vgl. ferner Franz Schmidt, 
Die Errichtung und Einrichtung der Staatsbehörden nach preuß. Recht, Leipz. 1905.
	        
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