& 39. Begriff und System der Reichsbehörden. 373
Errichtung eines Reichseisenbahnamtes vom 27. Juni 1873 hinsichtlich
der Ernennung von Reichseisenbahnkommissaren u. a.
Dieselben Grundsätze müssen auch hinsichtlich der Aufhebung
von Aemtern gelten. Behörden, welche unmittelbar auf gesetzlicher
Anordnung beruhen, können nur auf Grund eines Gesetzes aufgehoben
werden. Wenn die Errichtung einer Behörde auf Grund eines Bundes-
ratsbeschlusses erfolgt ist, so erfordert auch die Wiederaufhebung
derselben einen Bundesratsbeschluß. Soweit endlich dem Kaiser die
Organisation und administrative Einrichtung übertragen ist, steht dem-
selben auch die Befugnis zu, Behörden aufzuheben !). :
V. Die Behörden lassen sich wissenschaftlich nach sehr verschiedenen
Gesichtspunkten gruppieren; für das Staatsrecht entscheidend ist
die rechtliche Stellung derselben zu den Organen des Staates, d. h.
die Verantwortlichkeit. Auch in der absoluten Monarchie
gibt es Beamte, welche dem Monarchen für die Verwaltung der ihnen
unterstellten Ressorts verantwortlich sind, d. h. welche dafür einzustehen
haben, daß diese Verwaltung nach den Befehlen und Intentionen des
Monarchen und im wohlverstandenen Interesse des Staates geführt
werden. Die Folge hiervon ist, daß ihnen die selbständige Leitung
dieser Ressorts übertragen ist und daß alle anderen, auf diesen Gebieten
tätigen Behörden ihnen untergeben und zum dienstlichen Gehorsam
verpflichtet sind. Denn es ist selbstverständlich, daß Jemand für die
Tätigkeit eines Anderen nur insoweit verantwortlich sein kann, als er
befugt ist, ihm zu befehlen. Im konstitutionellen Staate erlangt diese
Unterscheidung eine noch erhöhte Bedeutung, weil die Verantwortlich-
keit nicht nur dem Monarchen, sondern auch der Volksvertretung
gegenüber besteht (sogenannte parlamentarische Verantwortlichkeit).
Man pflegt diese Behörden mit selbständiger politischer Verantwortlich-
keit als »Minister« zu bezeichnen; sie bilden eine Behördenkategorie
für sich 2).
1) Dies ist z. B. hinsichtlich einiger Oberpostdirektionen, Telegraphendirektionen,
Marinebehörden u. s. w. geschehen.:
2) Vgl. Jellinek, Die Entwicklung des Ministeriums in der konstit. Monarchie,
in Grünhuts Zeitschrift Bd. 10 (1883), S. 304 ff. Mit Recht hebt derselbe S. 317 fg.
hervor, daß nicht die parlamentarische, sondern die administrative Verantwort-
lichkeit, d.h. die Verantwortlichkeit gegenüber dem Staatsoberhaupte die eigentliche
Grundlage des Ministerialsystems bildet und daß die größtmögliche Stärkung der
vollziehenden Gewalt, die Freiheit der Aktion für den dirigierenden Staatsmann, der
unbedingte Gehorsam innerhalb des Ressorts, die strikte Unterordnung der Beamten
unter seinen Willen die praktische Konsequenz dieses Systems ist. Immerhin ist aber
die unmittelbare und persönliche Verantwortlichkeit, die durch keine höhere
Instanz gedeckt ist, die staatsrechtlich charakteristische Eigenschaft der Minister.
Andererseits ergibt sich aus der Verantwortlichkeit gegen die Volksvertretung die
Selbständigkeit der Minister gegenüber den Befehlen des Monarchen hinsichtlich der
Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit. Seydel, Komment. S. 178
und Bayer. Staats. I, S.509 ff.; Brie in v. Stengels Wörterb. d. deutsch. Verwaltungsr.
II, S. 484 fg. Art. Staatsminister; G. Seidler, Rechtstellung und Verantwortlich-