Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

388 8 41. Die Reichsverwaltungsbehörden. 
Spitze jeder Abteilung ein Direktor. Obgleich diese verschiedenen 
Abteilungen des Reichskanzleramtes im wesentlichen getrennte Ge- 
schäftssphären hatten, so waren sie doch keineswegs verschiedene Be- 
hörden. Bei vielen Angelegenheiten war ein Zusammenwirken der 
verschiedenen Abteilungen unerläßlich und bei allen war es dem Er- 
messen des Präsidenten überlassen, welchem Dezernat er dieselben 
zuweisen wollte. Die Geschäftsverteilung unter die Abteilungen des 
Reichskanzleramtes hatte keinen staatsrechtlichen, sondern 
einen technischen Charakter; die Abteilungen waren nicht anzusehen 
wie verschiedene Ministerien, sondern wie Abteilungen des- 
selben Ministeriums. 
Dieses System wurde zuerst dadurch etwas modifiziert, daß das 
durch Gesetz vom 27. Juni 1873 errichtete Reichseisenbahnamt nicht 
dem Reichskanzleramt eingegliedert, sondern als eine besondere oberste 
Reichsbehörde neben dasselbe gestellt wurde, wie das auswärtige 
Amt und die Admiralitä. Sodann wurde durch die Verordnung vom 
22. Dezember 1875 (Reichsgesetzbl. S. 379) vom 6. Januar 1876 an die 
Post- und Telegraphenverwaltung aus dem Ressort des Reichskanzler- 
amtes ausgeschieden, dessen I. und II. Abteilung mithin fortfielen, und 
eine selbständige oberste Reichsbehörde für diese Verwaltungen gebildet. 
Dasselbe geschah vom 1. Januar 1877 an mit der Abteilung für Elsabß- 
Lothringen und mit dem Reichsjustizamt; ferner im Jahre 1879 mit 
der Verwaltung der Reichseisenbahnen und der Reichsfinanzverwaltung, 
für welche besondere oberste Behörden unter dem Titel »Reichsamt 
für die Verwaltung der Reichseisenbahnen« und »Reichsschatzamt« 
gebildet worden sind. Der Wirkungskreis, welcher für das Reichs- 
kanzleramt noch übrig blieb, und welcher sich infolge der Gewerbe- 
und Wirtschaftsgesetzgebung des Reiches im einzelnen weiter entwickelt 
hatte, betraf hiernach nur noch solche Angelegenheiten, welche her- 
kömmlicherweise zu dem Ressort des Ministeriums des Innern ge- 
rechnet werden, und demgemäß wurde die nicht mehr zutreffende 
Bezeichnung desselben durch Erlaß vom 24. Dezember 1879 (Reichs- 
gesetzbl. S. 321) in »Reichsamt des Innern« umgeändert. 
Das Resultat dieser Umgestaltungen ist eine ziemlich eingreifende 
Veränderung des Behördensystems. Der Norddeutsche Bund hatte 
anfangs nur eine einzige oberste Verwaltungsbehörde, deren un- 
mittelbarer Chef der Bundeskanzler selbst war (das Ministerium der 
auswärtigen Angelegenheiten und das Marineministerium waren anfangs 
preußische Behörden); gegenwärtig besteht ein Kranz von obersten 
Verwaltungsbehörden für die verschiedenen Ressorts, welche vonein- 
ander vollkommen getrennt und unabhängig sind und von denen jede 
einen besonderen Chef hat, der den Amtstitel »Staatssekretär« führt. 
Diese obersten Reichsbehörden entsprechen hinsichtlich ihrer Funk- 
tionen den Ministerien anderer Staaten und unterscheiden sich von
	        
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