Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

$ 43. Die richterlichen Reichsbehörden. 427 
Reichskasse Ersatz ihrer Reisekosten und Tagegelder, deren Höhe der 
Reichskanzler bestimmt'!). Die Geschäftsordnung für das Ober- 
seeamt wird vom Bundesrat festgestellt?\.. Das Oberseeamt faßt seine 
Beschlüsse nach Stimmenmehrheit; auf das Verfahren finden im All- 
gemeinen dieselben Vorschriften Anwendung, welche für das Verfahren 
bei den Seeämtern gelten; die Verhandlung und Entscheidung erfolgt 
in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung des Be- 
schwerdeführers und seines Gegners. Die Entscheidung muß mit 
Gründen versehen sein und ist dem Beschwerdeführer und seinem 
Gegner in Ausfertigung zuzustellen ?.. — Das Subaltern- und Unter- 
beamtenpersonal wird vom Reichskanzler ernannt‘). 
Für die einzelnen Seeämter werden vom Reichskanzler Reichs- 
kommissare bestellt, welche befugt sind, den Verhandlungen beizu- 
wohnen, Einsicht von den Akten zu nehmen, Anträge auf Entziehung 
der Befugnis zum Gewerbebetrieb zu stellen und beim Reichskanzler 
die Anordnung einer Untersuchung zu beantragen. 
6. Das Reichsversicherungsam!t°) Die Errichtung dieses 
Amtes ist im Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884, $ 87 ange- 
ordnet worden ®) zur Durchführung der Unfallversicherung, zur Beauf- 
sichtigung der Genossenschaften und zur Entscheidung der aus der 
Anwendung des Gesetzes sich ergebenden Streitfragen. Die Ausdeh- 
nung der Unfallversicherungsgesetzgebung und die Einführung der 
Alters- und Invaliditätsversicherung hat auch eine Erweiterung der 
dem Reichsversicherungsamt obliegenden Aufgaben mit sich ge- 
führt. Dieselben liegen teils auf dem Gebiete der Verwaltung, teils auf 
dem der Rechtsprechung, so daß das Reichsversicherungsamt unter 
beiden Gruppen der Reichsbehörden eine Stelle hat. Durch das 
Gesetz über die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze vom 30. Juni 
1900 (Reichsgesetzbl. S. 573) ist die Zusammensetzung und Zuständig- 
keit des Reichsversicherungsamtes verändert worden. Es hat seinen 
Sitz in Berlin und besteht aus ständigen und achtzehn nichtständigen 
Mitgliedern. Der Vorsitzende und die übrigen ständigen Mitglieder 
werden auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser auf Lebenszeit er- 
nannt. Von den nichtständigen Mitgliedern werden sechs vom Bun- 
desrate und zwar mindestens vier aus seiner Mitte gewählt. Die 
anderen zwölf nichtständigen Mitglieder werden von den Genossen- 
schaftsvorständen und von den Vertretern der versicherten Arbeiter 
1) Gesetz $ 29. Diese Beisitzer des Oberseeamts sind keine Reichsbeamte, 
da sie in keinem Dienstverhältnis zum Reiche stehen; gleichwohl verwalten sie ein 
Reichsamt, da das Oberseeamt eine Reichsbehörde ist. 
2) 8 35. Die Geschäftsordnung ist vom 3. Mai 1878 (Zentralbl. 1878, S. 276); ein 
Nachtrag vom 10. Mai 1879 (Zentralbl. 1876, S. 371). 
3) Gesetz 8 29, Abs. 2 bis $ 32. 4) Geschäftsordn. $ 5. 
5) Fuld, Das Reichsversicherungsamt. Archiv f. öffentl. Recht Bd. 6, S. 85 ff. 
6) Es ist am 14. Juli 1884 in Tätigkeit getreten. Vgl. Centralbl. 1884, S. 198.
	        
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